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Album der Woche: Hurts – Happiness

Alles begann mit einem seltsam-verschrobenen Schwarz-Weiß-Video, in dem zwei adrett gekleidete Herren die simple Botschaft „Don’t let go, it’s such a wonderful life“ in kitschigen 80er Jahre Synthie-Pop verpacken. Es folgte die virale Netz-Hysterie, der Youtube-Zähler hat die 5 Millionen-Marke vor kurzem geknackt. So manch einer mag sich seitdem die Finger wundgegoogelt haben. Über den Urheber des Videos, die Band Hurts, fand man lange Zeit so gut wie nichts. Gut anderthalb Jahre später erscheint nun mit „Happiness“ das Debütalbum der geheimnisvollen Engländer.

Die Geschichte von Hurts liest sich wie ein am Reißbrett entworfener Masterplan: Zwei in Manchester lebende Musiker schlittern von der Auflösung ihrer alten Band in die Existenzangst. Sie sind pleite, müssen wöchentlich zum Arbeitsamt, um sich ihr Arbeitslosengeld abzuholen. Doch Theo Hutchcraft und Adam Anderson machen aus der Not eine Tugend: Sie schreiben sich den Frust von der Seele, besorgen sich maßgeschneiderte Anzüge und lassen sich beim Frisör einen geschniegelten Fasson-Schnitt verpassen. So konnte man diesen akkuraten Gentlemen alles unterstellen, nur nicht dass sie arbeitslose Musiker seien – ein cleverer Coup, wenn man bedenkt, wie sehr das reine Äußerliche die Meinung der Masse steuern kann.


Auf diese Weise tragen Hurts ihr vermeintliches Scheitern nicht nur mit Stolz und Würde nach außen, sondern auch mit einer gehörigen Portion Glamour. Und genau hier setzt auch die Musik des Duos an. Pathosgeladen und mit großer Geste vorgetragen, zelebrieren Hurts auf ihrem Debütalbum Bombast-Pop mit großem Tamtam. Auf käsige Analog-Synthies stapeln sich cineastische Streichersätze und opereske Männerchöre. Die oft herbeizitierten 80er-Einflüsse sind unüberhörbar, doch Songs wie „Better Than Love“ hätten sich auch in der 90er-Disco hervorragend zwischen Culture Beat und Snap eingefügt.

In meist moderaten Tempi und mit bierernster Miene schmachtet Theo Hutchcraft leidvolle Abhandlungen über das Scheitern, die Liebe und die Suche nach Glück. Die Botschaften sind simpel und direkt. Natürlich suhlen sich Hurts im Kitsch. Doch tun sie das mit Aufrichtigkeit und einem äußerst subtilen Humor. Denn der eigentliche Geniestreich von „Happiness“ ist dessen ironischer Unterbau. Hinter der düsteren Stimmung lauern Texte, die vor allem Hoffnung versprechen; in Interviews lassen die zwei Engländer hier und da durchblicken, dass sie sich selbst gar nicht so ernst nehmen, wie sie es über ihr Auftreten zu vermitteln versuchen. Man kann sich gut vorstellen, wie sich die Zwei ins Fäustchen lachen, wenn ihnen diese Ernsthaftigkeit eins zu eins abgenommen wird.

So unterwandern Hurts gewissermaßen die Authentizitäts-Normen der Charts und finden sich plötzlich in den vorderen Rängen wieder. Hurts ist nicht nur eine Band die einfach Musik macht, sondern vielmehr ein stimmiges Gesamtkonzept mit Methode. Sei es die Musik, die Ästhetik oder die Informationspolitik – alles scheint mühevoll durchdacht. Gerade letzteres sei an dieser Stelle lobend erwähnt: In den erwartungsvollen Monaten vor Album-Veröffentlichung gab die Band kaum etwas über sich preis und hüllte sich in geheimnisvolles Schweigen. Dieses bewusste Zurückhalten von Informationen ist gerade in Zeiten, in denen man selbst Neuigkeiten von engsten Freunden zuerst im Internet erfährt, eine willkommene Abwechslung und gleichzeitig der Versuch, die Vorstellungskraft der Leute anzuregen. So konnte sich jeder seine eigene Geschichte über Hurts zusammenreimen.

Das Konzept geht auf. Bestes Beispiel – die Single „Wonderful Life“: Vor einem halben Jahr noch das abgefeierte Hipster-Ding in den Blogs, ist der Song nun in der Tagesrotation von Bayern 3 angekommen. Mal sehen ob der integre Blogger noch immer zu Hurts hält, wenn Mama anfängt mitzusingen. Und auch die Sommerpause von „Wetten dass…?“ ist ja bald vorbei. Man wird Hurts ernst nehmen, so ernst, wie sie selbst auf Fotos dreinschauen. Doch auf den zweiten Blick verbirgt sich hinter dieser Miene vor allem eins: ein schelmisches Grinsen.

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