Was wurde nicht schon schwadroniert über die Elektronifizierung der Musikwelt. Der Laptop löst die Gitarre ab, die Drum Machine den Schlagzeuger und der Autotune-Effekt macht auch aus dem schlechtesten Sänger ein Goldkehlchen. Gemeint ist eine junge Generation, die nun ganz selbstverständlich mit dem Laptop als Musikinstrument heranwächst; die die Love Parade höchstens aus Erzählungen der älteren Geschwister kennt. Folglich fußt ihr künstlerischer Ansatz nicht selten im Bass-Drum-Diktat: Ein stampfender Vier-Viertel, Pause, Steigerung und wenn die Bass Drum wieder einsetzt rasten alle aus. Clubmusik kann so einfach sein. Das Elektropop-Duo Junior Boys aus Kanada hat all das gar nicht nötig.
Jeremy Greenspan und Matt Didemus kennen sich seit sie 13 sind. Schon damals haben sie eine Menge am Computer experimentiert. Haben sich an Drum’n‘Bass versucht und sind als DJs aufgetreten. Eigentlich hatten sie nie die Absicht professionelle Musiker zu werden. Die Band haben sie 2003 sozusagen aus Versehen gegründet. Was als Schlafzimmer-Projekt begann, ist heute ein weltweit erfolgreiches Band-Projekt. Die beiden haben sich in ihrer Heimatstadt Hamilton im südlichsten Zipfel Kanadas ein eigenes Studio gebaut. Dort leben sie ihre Leidenschaft für analoge Drum Machines und Synthesizer aus. Nicht selten erinnert das Ergebnis ihrer Experimentier-freude an die musikalisch viel zitierten 80er.
Vor der Arbeit an dem Album ging Sänger Jeremy Greenspan für zwei Monate nach Shanghai. Nicht nur um seine Schwester zu besuchen, vor allem um sich inspirieren zu lassen. Er suchte dort gezielt nach Musikern, die für ihn traditionelle chinesische Instrumente einspielen würden. Und so mischen sich auf der neuen Junior-Boys-Platte ganz subtil ein paar Exoten unter die 80er-Synthies. Etwa eine Pipa, die so aussieht wie eine birnenförmige 4-saitige Laute oder eine Guzheng, vergleichbar mit der Zither, die einen harfenähnlichen Sound erzeugt.
Trotz der instrumentalen Vielfalt umgehen Junior Boys auf It’s All true geschickt die Gefahr, ihre Songs zu überladen. Die Arrangements sind karg und transparent. Man meint, jede Spur heraushören zu können und doch entdeckt man bei jedem Durchlauf neue Spielereien. Die sind jedoch so fein und subtil eingearbeitet, dass sich das komplexe Klangspektrum am besten mit Kopfhörern erschließt. Einzige Ausnahme zur sonst eher reduzierten und unaufdringlichen Herangehensweise ist Banana Ripple, der letzte Song des Albums – mit neun Minuten ein wahres Epos. Laut Greenspan hat der 160 Audiospuren, 40 allein für den Gesang.
Junior Boys – Banana Ripple
Dazu kommt Greenspans souliger Gesang, der immer sehr präsent, jedoch meist nur Mittel zum Zweck ist. Die Texte sind mehr Fragmente als Geschichten. Jedoch bereitet das den Weg aus der bisher oft etwas verfrickelten Experimentierlaune der Junior Boys. Auf ihrem mittlerweile vierten Studioalbum trauen sich die beiden Kanadier auch mal ein paar eingängige Refrains.
It’s All True ist eine angenehm entspannte Pop-Platte, die mit ihrer unaufgeregten Art eher für den Sonntagnachmittag im Strandclub als für das Bass-Drum-Diktat auf der Tanzfläche geeignet ist. Dort können sich ja die Kleinen austoben. Zu Junior Boys tanzen die Erwachsenen.