Wenn Jugendhelden erwachsen werden, kann das für manch altgedienten Fan schwierig sein. Nicht wenige werden vom folkigen Sound des neuen Kele Okereke-Albums Fatherland irritiert sein. Die Zeiten des energiegeladenen Indierock und der adrenalinreichen Elektronik gehören der Vergangenheit an. Okereke entdeckt jetzt seine ruhige Seite. Früher konnte er sich nichts langweiligeres vorstellen, als einen Typen der zur Gitarre singt, erzählt er. Aber in den letzten Jahren hat er die Platten von Nick Drake, Elliott Smith und Joni Mitchell wiederentdeckt und festgestellt, dass diese Art von Musik auch ihren Reiz hat.
Früher konnte ich mit Folkmusik nichts anfangen. Als wir Bloc Party gegründet haben ging es um Energie, Lärm und Intensität. Die Musik von Nick Drake oder Elliott Smith war das genaue Gegenteil davon. In den letzten Jahren hat sich meinen Sicht darauf geändert. Ich habe erkannt, dass auch in dieser Art von Musik eine Kraft steckt. Man kann Geschichten erzählen und jemanden auf eine Reise mitnehmen. Das funktioniert mit Musik, bei der es hauptsächlich um Klänge und Atmosphäre geht, nicht so gut.
Reise nach Nigeria mit dem Vater
Das Album hat Kele Okereke vor allem für seine Tochter Savannah geschrieben, die im Dezember 2016 geboren wurde. Mit der Aussicht, dass er selbst bald Vater sein würde, wollte er das Verhältnis zu seinem eigenen Vater genauer unter die Lupe nehmen und Probleme aus dem Weg räumen.
Mein Vater und ich haben uns zwar immer gut verstanden, aber es gab auch Probleme. Ich wusste ja, dass ich auch bald Vater werden würde und wollte deshalb unsere Beziehung verbessern. Über die Jahre hat sich eine Distanz zwischen uns entwickelt, die wollte ich überwinden. Wir sind dann zusammen nach Nigeria zu meiner Großmutter gefahren, das war sehr wichtig für uns.
Aufgenommen hat Kele Okereke die Songs im Studio von Bloc Party-Bassist Justin Harris in Portland, Oregon. Eigentlich hatte er Fatherland als akustisches Album geplant, nur Gesang und Gitarre. Aber aus „akustisch und reduziert“ wurde dann doch etwas mehr. Er hat mit über 20 Musikern zusammengearbeitet, so viele wie nie zuvor, erzählt Okereke.
Ich wollte eigentlich ein reduziertes Akustikalbum machen, nur Gitarre und Gesang. Es kam dann ganz anders, am Ende waren über 20 Musiker auf dem Album, die größte Besetzung, mit der ich je gearbeitet habe. Es hat Spaß gemacht und ich werde auch immer ganz demütig, wenn ich mit Profi-Musikern zusammenarbeite. Die haben ein ganz anderes Verständnis von Theorie und Komposition. Meine Herangehensweise ist viel instinktiver, deswegen haut mich das immer ein bisschen um.
Bemerkenswertes Duett
Die Songs auf Fatherland bewegen sich zwischen zartem Folk, Soul, Reggae und Cabaret – eine ziemlich breite Palette. Okerekes Texte sind gewohnt einfühlsam und persönlich. Bemerkenswert ist vor allem das Duett mit dem Sänger Olly Alexander, in dem beide ganz selbstverständlich über die Liebe zwischen zwei Männern singen.
Nicht alle Songs auf Fatherland sind der große Wurf. Aber es gibt viele schöne Momente, in denen Kele Okereke mal wieder beweist, dass er ein Händchen für leuchtende, eingängige Songs hat. Ganz egal ob diese nun mit lärmigen E-Gitarren, kühlen Beats oder mit Orgel und Saxophon gespielt werden.