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Nick Waterhouse
Foto: Zach Lewis

Keine Angst vor Hits

Schnodderexperten und Marderhunde

Nick Waterhouse hegt romantische Gefühle für „Place Names“, Pom Poko erfreuen sich an musikalischen Extremen und Sleaford Mods rechnen mit dem Mist des letzten Jahres auf ihrem Album „Spare Ribs“ ab. Das und noch mehr Neuigkeiten aus der Welt der Popmusik gibt’s diese Woche in Keine Angst vor Hits.

Sleaford Mods – Spare Ribs

Keiner bellt seine Abneigung gegen die “High Snobiety” so ungehemmt heraus wie Jason Williamson, eine Hälfte der Sleaford Mods. In den letzten knapp 15 Jahren hat sich das Duo aus Nottingham mit einer Mischung aus Elektropunk, Hiphop und Minimal-Elektro einen Namen gemacht. Vor allem auch wegen Williamsons dauerwütender Rants gegen politische und soziale Missstände, die er in starkem East Midlands-Akzent vorträgt. Aufreger-Themen hatte das vergangene Jahr mehr als genug zu bieten und an einigen arbeitet sich Williamson auf dem neuen Sleaford Mods-Album “Spare Ribs” ab. Innerhalb von nur drei Wochen während des Lockdowns aufgenommen, nimmt er darauf das politische Establishment auseinander: Brexit, Johnson, Corona, Trump – nichts wird ausgelassen. Musikalisch dominieren schlichte, eingängige Bassfiguren mit Hobbygaragen-Charme, gespickt mit einigen Synthiehooks, Hiphop-Loops und auch mal Postpunk-Riffs. Bei aller thematischen Düsternis macht es erstaunlich viel Spaß Williamson zuzuhören und der musikalische Teil seines Kollegen Andrew Fearn bietet dafür den perfekten Klangteppich.

Pom Poko – Cheater

Die norwegische Band Pom Poko macht Musik zwischen Artrock und Punkpop. Vor zwei Jahren erschien ihr Debütalbum “Birthday”, auf dem Nachfolger “Cheater” arbeiten sie Extreme wie süße Melodien und den lieblichen Gesang von Frontfrau Ragnhild Fangel auf der einen; und wilden, chaotischen Lärm auf der anderen Seite noch stärker heraus. Kennengelernt haben sich die vier Mitglieder während des Jazzstudiums in Trondheim, als sie bei einem Auftritt die Verzerrer angestöpselt und die Gitarren laut gedreht und haben. Anfangs hat Sängerin Fangel ihre Texte in einer Art Fantasiesprache improvisiert, mittlerweile schreibt sie Lyrics, die vor allem von Traumszenen inspiriert sind. Das Absurde und Assoziative passt gut zur Musik der Band, bei der handwerkliches Können und Improvisation zusammenfließen. Das Ergebnis ist mitunter ein bisschen anstrengend, aber auch sehr überraschend.

shame – Drunk Tank Pink

shame sind eine fünfköpfige Band aus Süd-London, die angesäuerten Sprechgesang-Punk in der Tradition von The Fall und Gang of Four spielen. Vor drei Jahren ist ihr Debütalbum “Songs of Praise” erschienen, das von einschlägigen Publikationen tatsächlich auch gelobt wurde. Auch der Nachfolger “Drunk Tank Pink” klingt mit sperrigen Riffs, sprechgesungenen Vocals und mal funky, mal zerhackten Rhythmen immer noch nach den großen Postpunk-Bands. Textlich geht es um die Suche nach Sinn, denn nach einem Leben on the road kann sich ein ganz normaler Alltag schon sehr langweilig und wie Stillstand anfühlen. Der Albumtitel bezieht sich auf den spezifischen pinken Farbton, der in Ausnüchterungszellen benutzt wird, weil es die Menschen wohl beruhigt und runterbringt.

Neu auf der Playlist

Noga Erez – End of the Road

Man könnte Noga Erez in eine Schublade stecken. Etwa Bubblegum-Pop mit Werbejingle-Qualität. Damit täte man ihr aber Unrecht. Trotz der Formatradio-tauglichen Klänge sind ihre Texte und musikalischen Elemente alles andere als naiv und flach. In „End of the Road“ bricht sie den Producing-Trend, alle paar Sekunden einen musikalischen Höhepunkt zu setzen, mit den besten Elementen, die Pop-Knaller der 2000er á la Gorillaz oder Missy Elliott zu bieten hatten. Und noch ein 2000er-Move: „End of the Road“ ist schon die vierte Single des im März erscheinenden Albums „KIDS“. Und bei Noga Erez‘ Treffsicherheit in Sachen zeitgeistiger Produktion mit Retro-Charme gibt das sicher bald noch eine fünfte Auskopplung her.

El Michels Affair – Murkit Gem

Man kann es nicht anders sagen: Leon Michels ist offenbar ein musikalisches und betriebwirtschaftliches Genie. Er hat schon im Schuljungen-Alter seine Band El Michels Affair gegründet. Deren Mitglieder rekrutierte er aus der lebendigen New Yorker Retro-Soul-Szene. Und im Laufe seiner Karriere hat Michels seitdem mit The Dap Kings, Charles Bradley, Dan Auerbach, Lana Del Rey, Jay-Z und dem Wu-Tang Clan zusammengearbeitet. Nur mal so als Beispiele. Ach ja, die Musik zum Welthit „I Need a Dollar“ von Aloe Blacc hat er auch mitgeschrieben. Michels Gespür für die dramatische Wendung binnen 30 Sekunden dürfte ihm in der heutigen, Sample-basierten Popmusik-Welt einiges an Tantiemen gebracht haben, denn viele Rap-Artists greifen auf Versatzstücke von ihm zurück. Seine cineastische Musik funktioniert aber ebenso gut in eigenen Songs und in Langform. Eine Kostprobe aus dem neuen Album namens „Yeti Season“ (VÖ: März 2021) ist „Murkit Gem“, in dem er seinen Weird-Soul mit Einflüssen aus dem nahen und mittleren Osten spickt.

Nick Waterhouse – Place Names

Wenn 2020 schon so bescheiden war und 2021 auch nicht viel besser weiter geht: Wie wärs mit Musik aus der guten, alten Zeit von Nick Waterhouse? Welche Zeit das ist, hängt davon ab, welchem Genre sich Waterhouse gerade widmet. Mit Whiskey-schwangeren Rhythm & Blues hat er Bekanntheit erlangt, nun dreht der kalifornische Gitarrist und Sänger in Richtung Jazzpop-Balladen und Crooning im Stile Frank Sinatras ab. Heißt: Die Gitarren werden leiser und die romantischen Gefühle lauter. Wie zum Beispiel in „Place Names“, einer Ode an die heimelige Verbundenheit mit der US-amerikanischen Kleinstadt. „Place Names“ ist die erste Veröffentlichung aus dem Album „Promenade Blue“, das im Frühling 2021 erscheinen wird.

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