Neue Alben
Die Kerzen – Pferde und Flammen
Ludwigslust ist nicht als besonders cooler Musikort verschrien, von dort kommt die Band Die Kerzen. Beziehungsweise kam, denn mittlerweile wohnen sie – natürlich – in Berlin. 2019 erschien das Debütalbum “True Love” und ihr 80ies inspirierter Pop lief auch hier und da im Radio. Dank der Pandemie hatten sie viel Zeit an neuem Material zu arbeiten, “Pferde und Flammen” heißt das zweite Album, das ihren Ruf als die deutschen Human League verfestigt. Die zehn Songs haben sie in Köln aufgenommen mit dem Produzenten Jochen Naaf, den man von seiner Zusammenarbeit mit Bosse oder Giant Rooks kennt. Catchy Melodien, ein funky Bass, mal hüpfende, mal flächige Synthies – die 80er sind immer noch Hauptinspirationsquelle für Die Kerzen.
Jeshi – Universal Credit
Der Rapper Jeshi ist in Nigeria geboren und in London aufgewachsen, genauer gesagt in Walthamstow, einem Viertel, das zu den sozialen Brennpunkten gehört. Mit elf Jahren hat er schon ein Messer mit sich geführt und mit 13 haben ihn ein paar Jungs in der U-Bahn verprügelt. Aber er hatte keine Lust, in den Kreislauf von Gewalt und Rache reinzukommen und hat sich der Musik gewidmet. Verbrechen mit Messern ist nur eins der gesellschaftlichen Probleme, die Jeshi auf seinem Debütalbum “Universal Credit” thematisiert. Er schaut schonungslos auf sein Leben und seine unmittelbare Umgebung. Der 27-Jährige erzählt davon, wie es ist, ohne Vater aufzuwachsen, von Schulfreunden, die man beerdigen muss, weil sie erstochen werden, der Fokussierung auf materielle Dinge. Und er erzählt, wie auf Leute wie ihn und seine Familie in der britischen Gesellschaft herabgeschaut wird. Ein bitteres, aber beeindruckendes Debüt.
Rosa Anschütz – Goldener Strom
Die Berliner Künstlerin Rosa Anschütz hat als Kind schon Querflöte, Trompete und Klavier spielen gelernt und wurde zwischen Atonal Festival und Berghain musikalisch sozialisiert. 2020 kam das Debütalbum “Votive” heraus mit Musik zwischen experimenteller Goth-Atmosphäre und angenehm pathetischem Dark-Pop. “Goldener Strom” heißt ihr zweites Album und darauf nutzt sie souverän sämtliche Mittel der elektronischen Musikproduktion und verbindet sie mit analogen Instrumenten, wie eben Querflöte, Trompete und Gitarre. Sie spielt mit Härte und Zärtlichkeit, ihre wandlungsreicher Gesang ist mal flehendes Hauchen, mal nüchterne Sprechstimme. Dazu erklingt entschlossen nach vorne gehender Four-to-the-Floor-Techno, mit tief im Boden wühlenden Bässen; die Musik schillert oder knarzt und scheppert.
Neu auf der Playlist
L.A. Salami – Desperate Times, Mediocre Measures
Der Londoner Musiker L.A. Salami hat im Laufe seiner mittlerweile zehnjährigen Musikkarriere eine erstaunliche Entwicklung hingelegt. Während sich seine ersten EPs und Alben stilistisch vor allem zwischen Folk, Rock und Blues bewegten, schlug Salami mit dem 2020 erschienen Album „The Cause of Doubt & A Reason To Have Faith“ deutlich experimentellere Wege ein. Gängige Genre-Grenzen ließ er kurzerhand hinter sich und erweiterte seinen klassischen Folk-Rock-Sound etwa durch Hip-Hop-Beats und Rap-Einlagen. Diesen experimentierfreudigen Weg geht er auch mit seinem neuen Song „Desperate Times, Mediocre Measures“ konsequent weiter: Ein intelligenter und musikalisch äußerst eindringlicher Track, in dem L.A. Salami über die Machtstrukturen unserer Gesellschaft rappt und darüber, was es braucht, um sie zu verändern.
Blu DeTiger & Chromeo – Blutooth
Mit sieben Jahren begann die US-Amerikanische Musikerin Blu DeTiger bereits Bass zu spielen. Der musikalische Durchbruch gelang ihr dann mit Bass-Tutorials, die während des Corona-Lockdowns auf TikTok viral gingen. Im vergangenen Jahr erschien dann ihre Debüt-EP „How did we get here?“. Auf dieser hat Blu DeTiger einen recht eigenen, wiedererkennbaren Stil entwickelt. Die Soundmarkenzeichen dieses Stils werden auch auf dem neuen, in Kollaboration mit dem Elektro-Funk-Duo Chromeo entstandenen Song „Blutooth“ sehr versiert in Szene gesetzt: Lässige Basslines, Blu DeTigers cooler, unaufgeregter Gesang und ein Händchen für eingängige, leicht verträumte Pop-Melodien.
Jonathan Personne – Un homme sans visage
Jonathan Personne heißt das Solo-Projekt des kanadischen Sängers und Gitarristen Jonathan Robert, der sonst in der Montrealer Post-Punk Band Corridor spielt. Zwei Alben hat der auf französisch singende Musiker bisher veröffentlicht, ein drittes soll im Laufe des Jahres folgen. Einen musikalischen Vorgeschmack darauf liefert Jonathan Personne mit dem Song „Un homme sans visage“. Ein 60ies inspirierter Singer-Songwriter-Track, auf dem melancholische Gesangs-Melodie mit zarten Synthie-lines und Slide-Gitarren-Einlagen garniert werden. Im Kontrast zum anschmiegsamen Sound des Song steht dabei der Text: „Un homme sans visage“ – also, ein Mann ohne Gesicht – ist dabei nämlich nicht unbedingt metaphorisch gemeint. Der Song erzählt die Geschichte eines Mannes, der sein Gesicht an ein Feuer verloren hat.
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