A punisher is a person who doesn’t know when to stop talking or who thinks what they have to say is very interesting. My constant fear is that I’m punishing people and the song is a think piece about whether I’m a punisher or not. – Phoebe Bridgers
Neue Alben
Phoebe Bridgers – Punisher
Die 25-jährige Phoebe Bridgers ist zuletzt vor allem durch ihre vielen Kollaborationen im Gespräch gewesen, unter anderem mit Conor Oberst als Better Oblivion Community Center oder in Boygenius mit Julien Baker and Lucy Dacus. Zwischendurch hat sie noch Zeit gehabt, eigene Songs zu schreiben, die auf ihrem zweiten Album „Punisher“ zu finden sind. Darauf bedient sie sich einer breiteren Klangpalette, ergänzt mit E-Gitarren oder Synthesizern ihren skeletthaften Emo-Folk. Der Sound ist erwachsener und selbstbewusster und nicht mehr ganz so trübsinnig wie auf ihrem Debüt, aber es schwingt immer noch eine Untergangsstimmung mit.
Braids – Shadow Offering
Braids ist eine Artpop-Band aus Montreal, die es seit 2006 gibt. Für ihr letztes Album „Deep in the iris“ haben sie den JUNO Award „Alternative Album Of The Year“ gewonnen. Die Songs auf ihrem vierten Album „Shadow offering“ finden sich zwischen ätherischem Dream- und groovendem Synthiepop wieder. Es geht ums Verlieben, Entlieben und toxische Beziehungen. Im Zentrum steht der Gesang von Raphaelle Standell-Prestons und drumherum verweben Braids organische und elektronische Elemente. Dazu passt die klare und knackige Produktion von Chris Walla. Die emotionalen Songs sind eine Einladung, sich dem Melodrama hinzugeben, nichts zum Nebenbei-Hören.
Pabst – Deuce Ex Machina
Das Berliner Trio Pabst macht seit 2016 Songs zwischen Garage- und Stoner-Rock. Mit ihrem Debütalbum „Chlorine“ konnten sie 2018 ein erstes Ausrufezeichen setzen, waren als Opening Act mit u.a. Kadavar und Drangsal auf Tour. Auf dem Nachfolger „Deuce Ex Machina“ schütteln sie ihren fuzzy Gitarrencocktail nochmal ordentlich durch und schielen eventuell auf den Schwedenrock der frühen 2000er. Die breitschultrige Produktion von Moses Schneider tut ihr übriges. Pabst erfinden das Rock’n’Roll-Rad zwar nicht neu, singen dafür mit Augenzwinkern vom Pleitesein in Berlin oder glorifizieren hedonistischem Medikamentenkonsum.
Neu auf der Playlist
IDLES – Grounds
Pleitesein als Lifestyle abzufeiern wie „Pabst“, ist eine Art, seiner Punk-Attitüde Ausdruck zu verleihen. Ein aktueller Gegenentwurf stammt aus Bristol: „Grounds“ von den IDLES ist der Musik gewordene Moment kurz vor einem vernichtenden Wutausbruch. „Do you hear that thunder?“, fragt Sänger Joe Talbot und ja, dass sich hier ein Gewitter ankündigt ist nicht zu überhören. Dass es sich nicht gleich beim ersten Refrain entlädt, sondern der Druck über den ganzen Song hinweg aufrechterhalten wird, macht seinen Reiz aus. Der Wolkenbruch folgt dann am 25.9.: Dann erscheint mit „Ultra Mono“ das inzwischen dritte Album der Band. Das Gewitter, das die IDLES hier vertonen entspricht offenbar den aktuellen Protestbewegungen rund um den Globus. Nicht umsonst heißt es in dem Song: „I raise my pink fist und say black is beautiful“.
Ric Wilson – Fight like Ida B & Marsha P
Von der Revolution zu singen kann auch tanzbar sein: Der Chicagoer HipHop-Künstler Ric Wilson verfolgt in seiner aktuellen Single „Fight like Ida B & Marsha P“ einen Soundentwurf zwischen Funk, House und zeitgemäßer Rapmusik. Gewidmet ist das Stück Ida B. Wells, Heldin der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und der schwarzen LGBTQ-Aktivistin Marsha P. Johnson. „The liberation of black womxn and black trans womxn lead to the liberation of all black people“, schrieb Wilson kürzlich auf Twitter. Mit „Fight like Ida B & Marsha P“ will er diese für viele unsichtbaren Held*innen sichtbar machen. Dabei ist der Song auch musikalisch ein Stück kulturelle Rückeroberung: House-Musik stammt schließlich aus der schwarzen Queer-Szene der USA.
Guerilla Toss – Human Girl
Art-Rock, Post-Punk oder „anti-patriarchaler Pop“ – es gibt viele mögliche Stempel für die New Yorker Band Guerilla Toss, doch wirklich treffend ist keiner. Fest steht: Hier werden Grenzen überschritten, und zwar in jeder Hinsicht: Genre-Grenzen sowieso, aber auch die Grenzen unserer Hörgewohnheiten. Auch textlich ist „Human Girl“ verwirrend: Es geht offenbar um Nähe-Distanz-Probleme in einer Beziehung. Die Besungene ist mal Reptil, dann ein menschliches Mädchen und auf dem Cover ein Hund – alles klar soweit? Für Ohren mit weniger musikalischer Kampferfahrung ist das erstmal schwer auszuhalten – dafür aber auch langlebiger als eingängier Ohrwurm-Pop.
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