Neue Alben
All We Are – Providence
Indierock mit New Order-Bass, ein bisschen Disco und eine Portion Dreampop, das Ganze versehen mit einem drüster-dramatischen Anstrich – damit sind All We Are bekannt geworden. Für ihr drittes Album “Providence” hat das Trio aus Liverpool den gegen etwas farbenfrohere Deko eingetauscht wie Werbeplakate aus Reisebüros. Das Ergebnis ist ein Gute-Laune-Album, mit dem die positiven Seiten des Lebens gefeiert werden sollen: Tanzen, Liebe, kaltes Bier an heißen Tagen. Um so richtig in Urlaubsstimmung zu kommen haben sie sich außerdem ein altes Surfbrett in ihren Proberaum gestellt und die Heizung aufgedreht. Minimalistisch-melodischen Basslinien, ausgefuchste Drumgrooves und aufeinander geschichtete Gesangsharmonien fügen sich zu zehn euphorischen Songs zusammen – TGIF!
Fantastic Negrito – Have You Lost Your Mind Yet?
Fanastic Negrito heißt bürgerlich Xavier Amin Dphrepaulezz. Er kombiniert Blues, R&B und Roots Music und hat damit schon zwei Grammys gewonnen. Auch auf seinem neuen Album „Have you lost your mind yet?“ mixt er gekonnt Funk, Soul und Blues. Bis hierhin war es für Dphrepaulezz ein langer Weg: als achtes von 15 Kindern ist er mit 12 Jahren nach Oakland gezogen und hat dort als Teenager Drogen verkauft. Inspiriert von Prince brachte er sich das Gitarrespielen bei und schmuggelte sich in den Unterricht der University of California Berkely, obwohl er kein Student war. Ein schwerer Unfall verkürzte seine beginnende Musikkarriere Mitte der 90er. Später spielte er in Funkbands und auf Wahlkampfveranstaltungen von Bernie Sanders. Für seine Alben “The last days of Oakland” und “Please don’t be dead” hat er Grammys in der Kategorie „Best Contemporary Blues Album“ gewonnen und eventuell klappt das ja auch mit dem neuen. Darauf streift vom Vintage-Blues über Funkrock bis modernen Hiphop viele Genres, verpackt seine Texte in schmissige, irgendwie beleibte Songs.
Whitney – Candid
Manchmal sind Coverversionen bekannter als die Original-Songs. Man denke nur an “Crying in the rain” von a-ha, im Original von den Everly Brothers oder “I will always love you” von Whitney Houston, im Original von Dolly Parton. Ob das dem Chicagoer Duo Whitney mit ihren Coverversionen auch gelingt, bleibt abzuwarten. Fakt ist, dass Drummer und Sänger Julian Ehrlich und Gitarrist Max Kakacek sich Songs aus den unterschiedlichsten Genres ausgesucht und ihnen erfolgreich ihren eigenen Stempel aufgedrückt haben. Egal ob 90er R&B-Schmachtnummer, 70er-Girlgroup-Stück oder Country-Klassiker – auf dem Album „Candid“ erhalten alle einen sepiafarben Folk-Rock-Anstrich mit schillernden Fender-Rhodes-Sounds und Gesangsharmonien. Einfach schön.
Neu auf der Playlist
Eels – Baby, Let’s Make It Real
Die Überraschungssingle “Baby, Let’s Make it Real” ist die erste Eels-Veröffentlichung seit zwei Jahren. Für Fans der Band ist das eine Ewigkeit, denn seit ihrer Gründung Mitte der 90er haben Eels zwölf Studioalben und zusätzlich mehr als ein Dutzend Live-Alben und Compilations veröffentlicht. Ganz zu Anfang als Band mit fester Besetzung, recht bald aber als Band-Projekt von Mastermind und Sänger Mark Oliver Everett alias “E”. Der sagt über den neuen Track “Baby, Let’s make it Real”, dass er die Alltagssorgen und die brennende Welt für knapp 4 Minuten vergessen machen soll. Flucht ins private Glück und Liebeslieder schreiben, das konnte Everett schon immer gut. Und seine charakteristische Stimme und Gesangsphrasierung sind auch in diesem neuen Song unverkennbar.
IDLES – Model Village
Der Gegenentwurf zum Eskapismus sind IDLES. Die Post-Punks aus Bristol stehen für die direkte, dreckige, verschwitzte, eklige Wahrheit. Ihr kommerzieller Durchbruch war das dritte Studioalbum “Joy As an Act of Resistance” 2018, das wegen seiner kompromisslosen Bissigkeit ein Kritiker*innen-Liebling war. Der Nachfolger “Ultra Mono” erscheint Ende September und “Model Village” ist bereits die vierte Single daraus. Darin pflügen IDLES durch ein solches Vorzeige-Dorf. Und trampeln dessen lachsgesichtigen, fett-zufriedenen, rassistischen Vorzeige-Einwohnern durch Vorzeige-Rosengärten.
Helena Deland – Someone New
Helena Deland ist eine Musikerin und Komponistin aus Montreal. Bisher wurde sie schon von so diversen Künstler*innen wie dem New Yorker Rapper JPEGMAFIA oder der kanadischen Elektropop-Band “Men I Trust” gefeaturet. Und auch Delands zarter Pop ist ein Gegenentwurf – zum so genannten Spotifycore. Bei dem kommt die Hook gern schon in den ersten 20 Sekunden, damit ihr ja nicht den nächsten Song anklickt. Helena Deland aber lässt sich in “Someone New” Zeit, um Fahrt aufzunehmen und die Auswirkung einer verflossenen Beziehung musikalisch und lyrisch langsam zu entfalten. In kleinen, präzisen Miniaturen besingt sie die Zerissenheit, die darin liegen kann, wenn der oder die Ex noch im Kopf rumgeistert, man aber unbedingt jemand neues knutschen will. Es ist der Titeltrack zu ihrem Debütalbum, das am 16. Oktober erscheinen soll.
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