Neue Alben
Sophie Hunger – Halluzinationen
Die Musik der in Berlin lebenden Schweizer Musikerin Sophie Hunger deckt ein sehr weites Feld ab: von traditioneller Liedermacherkunst über Rock bis zu clubtauglichen Elektrospielereien. Auch ihre neue Platte „Halluzinationen“ ist äußerst vielseitig: von 80s-Synth-Pop über Krautrock bis zur melancholischen Klavierballade. Komponiert hat sie die zehn Stücke zu Hause in Kreuzberg, nur mit Klavier, Synthesizer und einer Drum-Machine. Auch das fertige Album klingt geisterhaft – Produzent Dan Carey ergänzt nur hier und da Bass, Bläser oder Gitarre. Eingespielt haben sie alle Stücke in nur 48 Stunden in den legendären Abbey Road-Studios in London. Bis sich die Songs einem wirklich erschließen, dauert es etwas länger.
Bill Callahan – Gold Record
Der Songwriter Bill Callahan macht schon seit 1990 Musik. Anfangs lief das unter dem Projektnamen Smog als vornehmlich elektronischer Indierock. Später macht er unter eigenem Namen sparsam arrangierte, folkige Americana-Songs. Nach sechs Jahren Pause veröffentlichte er 2019 mit “Shepherd In a Sheepskin Vest” ein recht ausladendes Album, der Nachfolger ist vergleichsweise eher kurz. Auch auf “Gold Record” dominiert eine gezupfte Akustikgitarre die melancholischen Songs, die anschmiegsame Lo-Fi Produktion verbreitet Wärme. In den reduziert instrumentierten Stücken steht Callahans charakteristischer Bariton-Gesang im Energiesparmodus im Zentrum, manchmal erklingt ein Cello oder eine angetrunkene Trompete. Für humorige Momente sorgt etwa seine Hommage an den großen Musiker Ry Cooder. Ein Album zum Hinhören.
Joy Denalane – Let Yourself Be Loved
“Mit dir steht die Zeit still” sang Joy Denalane einst mit Rapper und Ex-Ehemann (aber trotzdem wieder Lebenspartner) Max Herre von der Stuttgarter Hiphop-Kombo Freundeskreis. Seitdem hat sie vier Soloalben zwischen Soul und R&B veröffentlicht und ist damit ziemlich erfolgreich. Mit ihrer fünften Platte ist der Berlinerin sogar eine kleine Sensation gelungen, als erste deutsche Sängerin veröffentlicht sie beim legendären Motown-Label. Passender geht es kaum, denn “Let Yourself Be Loved” ist ein klassisches Soulalbum, soundmäßig zwischen Marvin Gaye, Aretha Franklin und Stevie Wonder. Darauf gelingt ihr das Kunststück, gleichzeitig nach oldschool-Soul und nach sich selbst zu klingen. Denalane sagt, dieser Sound sei einfach Teil ihrer DNA und ein bisschen ist er das ja bei uns allen, oder? “All we need is music, sweet music, there’ll be music everywhere…”
Neu auf der Playlist
Deep Sea Diver – Impossible Weight (feat. Sharon Van Etten)
Deep Sea Diver ist NICHT der englische Titel des Wes Anderson Films “Die Tiefseetaucher” (der heißt “The Life Acquatic” im Original). Sondern das Bandprojekt von Jessica Dobson, einer Musikerin aus Seattle. Sie hatte schon mit 19 einen Solo-Plattenvertrag bei Atlantic Records, Anfang der 2000er war das. Mit gleich zwei Alben waren aber weder sie noch das Label zufrieden. Manchmal braucht es eben ein bisschen Zeit, bis Musiker*innen ihre eigene Stimme finden. Seit einigen Jahren macht Dobson als Deep Sea Diver wieder eigene Musik. Und nun läuft es quasi umgekehrt wie während ihrer Zeit als Lead-Gitarristin von Beck und The Shins Anfang der 2010er: Sie holt sich eine bereits profilierte Musikerin als Unterstützung. Sharon van Etten singt mit in “Impossible Weight”, dem Titeltrack des bald erscheinenden Album (VÖ: 16. Oktober).
Arab Strap – The Turning of Our Bones
Ein bisschen mehr Zeit brauchen auch Arab Strap. Die schottische Rockband besteht aus den Kernmitgliedern Malcolm Middleton und Aidan Moffat. Besser müsste man sagen: Mal besteht sie, mal nicht. Nach zwei Alben in den 90ern und 2000ern lösten sich Arab Strap auf, um 2011 für eine Reunion-Show wieder zusammen zu kommen. Nach erneuten fünf Jahren Pause sind Arab Strap seit 2016 wieder vereint, haben sich aber bis gerade Zeit gelassen, um den ersten neuen Song seit 15 Jahren zu veröffentlichen. In “The Turning of Our Bones” geht es laut Aussage von Moffat um “menschliche Wiederauferstehung und Vögeln”. Sexuelle Anspielungen sind ohnehin im Bandnamen bereits angelegt (Arab strap = Penisring), hinzu kommt eine konstant düster-morbide Grundhaltung. “The Turning of Our Bones” beispielsweise soll inspiriert sein von einem madegassischen Ritual, bei dem Menschen mit den Leichen ihrer geliebten Verstorbenen tanzen. Ähnlich sexy ist das Video: ein Zusammenschnitt von Material aus Zombie- und Horror-B-Movies.
Kevin Morby – Campfire
Kevin Morby ist ein Folk-Musiker und in Kansas geboren, wo die USA noch so richtig USA sind. Letztes Jahr hat Morby mit “Oh My God” eine Art Selbstsuche in Albumform veröffentlicht. Und bei dessen Produktion haben sich einige Songs angehäuft, die nicht darauf passten. Deswegen hat er jetzt schon genug Material für ein Folgealbum. Die übrig geblieben Songs hat Kevin Morby an einem analogen Vierpsurgerät mit Kopfhörern zu Ende produziert. Herausgekommen ist eine reduzierte, warme und relaxte Aufnahme wie “Campfire”. Der Song taugt tatsächlich fürs Lagerfeuer und ist der Auftakt für das Album, das unter dem ebenso programmatischen Titel “Sundowner” am 16. Oktober erscheinen wird.
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