Neue Alben
Urlaub in Polen – All
Urlaub in Polen sind Schlagzeuger Philipp Janzen und Sänger und Multiinstrumentalist Georg Brenner. Anfang der 2000er haben sie einige Alben voller gitarrenlastiger Postrocksongs veröffentlicht, 2011 erschien das vorerst letzte. Zwischendurch hat Janzen bei Die Sterne Schlagzeug gespielt und den Sophisticated Deutschpop von Albrecht Schrader mitproduziert. Brenner hat Musik für’s Theater gemacht. Ihre Arbeit als Duo haben sie trotzdem vermisst und deshalb erscheint mit „All“ nun ein neues Album des Duos. Die Songs sind von den Krautrocklegenden Neu! inspiriert und Fanatsiereisen durch’s Weltall. Da trifft man nach einem Trip durch die Leere („Void“) einen wild improvierenden Saxonphonisten in einer Weltraumkneipe („The Witcher“), verwirbelte Synthies und merkwürdige Fieldrecordings fiepen und flackern wie die alten Instrumente eines maroden Raumschiffs.
Tunng – Dead Club
Die Mitglieder der englischen Folktronica-Band Tunng haben sich in den letzten Monaten umfassend mit dem Thema Tod beschäftigt. Passend dazu heißt ihr neues Konzeptalbum “Dead Club” und erscheint passend zur Zeit Anfang November. Sie selbst sagen dazu: „Es ist nicht nur eine Platte, es ist eine Diskussion, eine Podcast-Serie, es ist Dichtung, Kurzgeschichten, eine Untersuchung.” Ashley Bates, Gitarrist und außerdem professioneller Komponist und Arrangeur, hat ein Akkordbett aus den Tönen D, E, A und D konstruiert. Das Stücke sind kontemplativ, ein bisschen melancholisch, aber nicht traurig, eher tröstend. Es lebt von der Recherche der Band und erwähnt das indigene Volk der brasilianischen Wari, die ihre Toten verspeisen, Bewusstsein und Erinnerung werden diskutiert sowie der schwedische Aufräum-Trend, das sogenannte „Death Cleaning“. Das Album streift persönlichen Verlust, Angst, Humor, Leid und Liebe.
Sirens of Lesbos – Sol
Das Schweizer Worldbeat/Alternative-Pop-Quintett Sirens of Lesbos hatte 2015 einen Ibiza-Dance-Hit namens “Long days hot nights” mit dem sie sogar einen Plattenvertrag bei Sony bekamen. Allerdings war der Song nur ein Scherz und niemand hatte mit Erfolg gerechnet. Es fühlte sich an, so die Band “als würden zwei betrunkene Teenager in einer Kapelle in Las Vegas heiraten… sobald wir wieder nüchtern waren, wurde uns beiden klar, dass wir nicht füreinander bestimmt waren.” Also haben sie sich wieder in ihre Kämmerchen zurückgezogen um den Sound zu finden, hinter dem sie wirklich stehen können. Das Ergebnis ist eine Kombination aus ihrer elektronischen Vergangenheit und Soul-, Yachtrock-, Dub, Dancehall und Hiphop, die sie auf ihrem Debütalbum “SOL” in die Welt hinaus schicken. Die Songs sind kurz aber vielschichtig, smooth produziert aber nicht zu glatt und sie vollführen auch die ein oder andere überraschende Wendung.
Neu auf der Playlist
Oscar Lang – Antidote to Being Bored
Oscar Lang ist 20, aus London und hat mit der ähnlich jungen UK-Rock-Hoffnung Beabadoobee deren erste Songs aufgenommen. Das Studio war in diesem Fall sein Schlafzimmer, wo er auch die eigenen Sachen produziert. Am Anfang war Oscar Langs Musik noch sehr relativ Bedroom- und Dream-poppig. Seine Vorliebe für melodiöse Wendungen behält er sich, auch wenn er peu a peu begonnen hat härter in die Gitarre zu greifen. Mit „Antidote to Being Bored“ packt Lang nun die ganz große Geste aus. Ein Song, der im Stile von Oasis oder Ty Segall das ein oder andere Dach mit den Druckwellen des aufgedrehten Verstärkers abdecken möchte.
Tierra Whack – Dora
Tierra Whack ist 24, kommt aus Philadelphia, und hat sich dort schon in Teenagerjahren als Rapperin einen Namen gemacht. Es gibt ein Video, in dem sie als 15-Jährige die umstehenden Jungs in der Hood an die Wand rappt. Im letzten Jahrzehnt hat sie sich stetig weiter entwickelt. 2018 war sie für einen Grammy nominiert und veröffentlichte mit „Whack World“ ein Kritiker*innen-Lieblingsalbum, auf dem jeder Track nur exakt eine Minute lang war. Sollte sie so weiter machen wie bisher, wird sie vermutlich eine der wichtigsten Künstlerinnen in ihrem Genre werden. Denn im Rap-Game gibt es kaum wen, der oder die so bunt und verrückt und anarchisch-verspielt seine Batterie an an beeidruckenden Rap- und Texting-Skills abfeuert.
Das Paradies & Keshavara – Sine Wave
Keshav Purushotham aka Keshavara war mal Sänger der Indie-Band Timid Tiger und hat für breiter gefächerten Weirdpop-Experimente gerade den 9. popNRW-Preis in der Kategorie „Outstanding Artist” bekommen. Florian Sievers ist bekannt für seinen gefälligen, manchmal verschrobenen Pop unter Das Paradies und als eine Hälfte von Talking to Turtels. Höchste Zeit also, dass diese beiden deutschen Institutionen des Indiepop mal zusammen arbeiten. Im ersten von vier Tracks einer neuen Paradies-EP experimentieren Das Paradies und Keshavara nahezu meditativ über die Sinus-Welle. „Sine Wave“ heißt der Track, der offenbar eine weitere Auseinandersetzung mit geometrischen Formen ankündigt: Die EP wird „sammlung 1 / pause an der kurve in vektoria“ heißen und am 27. November 2020 veröffentlicht.
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