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Reingehört: Apparat – Krieg und Frieden

„Krieg und Frieden“ ist das wohl bekannteste Werk des russischen Klassik-Autors Leo Tolstoi. Noch heute wird der Roman von 1868 auch auf die Theaterbühnen gebracht. Zuletzt etwa in Leipzig und Berlin als fünfstündige Inszenierung von Sebastian Hartmann. Der Berliner Elektro-Musiker Sascha Ring alias Apparat liefert mit seinem Theater-Soundtrack die passende Musik.

Reingehört: Apparat – Krieg und Frieden 04:56

Sankt Petersburg, Anfang des 19. Jahrhunderts: Napoleon wütet in Europa und in Russland lebt die Adelsgesellschaft zwischen Pomp und Kriegseinsätzen. Das ist der Plot von Leo Tolstois Monumentalwerk Krieg und Frieden. Am Leipziger Centraltheater lief das Stück bis vor Kurzem in einer modernen Bühnenfassung von Sebastian Hartmann. Die Musik dazu stammt von dem Elektroniker Sascha Ring alias Apparat und ist jetzt als Album erschienen.

Dass Bands den Soundtrack zu einem Film beisteuern, ist nicht ungewöhnlich. Dass sie die Musik für ein Theaterstück schreiben, kommt dagegen seltener vor. Auch für Apparat war Krieg und Frieden die erste Gelegenheit, an einem Theaterstück mitzuarbeiten. Eine, die ihn sehr gereizt hat:

Sebastian Hartmann ist irgendwann vor einem Jahr an mich herangetreten und hat gefragt, ob ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen kann. Er ist interessiert, kennt sich mit Musik aus und meinte, dass er meinem Schaffen schon eine ganze Weile folgt, und dass er Bock auf eine Zusammenarbeit hat.

Sebastian Hartmann ist einer der aufregendsten Dramatiker des deutschen Gegenwartstheaters. Mit seinen Inszenierungen eckt er an. Sie sind laut, schrill und nervenaufreibend. Ein Hartmann-Stück ist nicht Wetten, Dass…? – Auch seine Version von Krieg und Frieden geht an die Substanz. Dass Hartmann die Musik dazu in die Hände eines ehemaligen Techno-DJs gelegt hat, ist daher kaum verwunderlich. Obwohl beide einen sehr unterschiedlichen Arbeitsstil haben, hat die Zusammenarbeit gut geklappt, erzählt Ring:

Ich habe Sebastian irgendwann zum Essen getroffen und da ist mir relativ schnell klar geworden, dass meine Vorstellungen sehr weit entfernt liegen von den seinigen. Sebastian Hartmann ist ein Typ, der Sachen einfach so passieren lässt. Ich arbeite sehr strukturiert, brauche ein Konzept und Ecken und Kanten, an denen ich mich festhalten kann und die gab es da nicht. Das Einzige, was ich von ihm bekommen habe, war der Rat, das Buch zu lesen und zu gucken, was mir dazu einfällt. Ehrlich gesagt habe ich es genau so gemacht. Ich habe eigentlich nur versucht, verschiedene Stimmungen des Buches zu vertonen.

Tolstois Roman besteht aus vier Bänden. Klar, dass sich darin alle möglichen Stimmungen finden. Apparat stürzt sich eher auf die schwermütigen und schleppenden. Seine letzte Platte The Devils Walk war dagegen fast schon ein klassisches Popalbum – klar strukturiert und aufgeräumt. Bei Krieg und Frieden ist nicht immer klar, wo ein Song aufhört und wo ein neuer beginnt. Die einzelnen Titel sind eher Fragmente und collagieren in sich geschlossenen Sound-Passagen, die sich pompös aufblasen. Apparat verzichtet weitgehend auf klare Bässe, Schlagzeug-Beats und Gesang. Stattdessen flimmern die Höhen, toben die Bläser und jammern die Streicher. Das war von vornherein so geplant, sagt Sascha Ring:

Meine letzte Platte ist schon in einem Song-Kostüm daher gekommen. Bei der jetzigen Platte, grade, weil die Natur der Platte ist, dass sie in einem komplett offenen Kontext entstanden ist. Ich will nicht sagen, dass ich mich bei ‚Devil’s Walk‘ irgendwie beschränkt habe, aber es war noch mehr ein Konzept dahinter als bei der jetzigen Platte. Ich habe das ziemlich genossen, jetzt wieder in die verschiedenen Töpfe zu greifen und das alles zusammen zu schmeißen.

Auf der Leipziger Bühne funktioniert dieses Experiment hervorragend. Genauso fragmentarisch wie die Songs ist auch das Theaterstück. Apparat grätscht mit seinen Soundwänden genau an den richtigen Stellen in das Geschehen.

Als Platte, zuhause auf dem Sofa oder unterwegs über Kopfhörer, gelingt das aber nicht. Da fehlen dann die Bilder und Szenen, die die Musik ausmachen. Das mag einer der Gründe sein, warum bisher noch nicht feststeht, ob es eine Tour zum Album geben wird. Schließlich heißt es im Untertitel der Platte auch Music For Theatre und nicht „Music For Dancefloors“.

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