Mit Songs wie Alala oder Let’s Make Love And Listen To Death From Above wurden CSS beinahe über Nacht zum größten Popexport Brasiliens. Die fast-All-Girl Band war mit Peaches und Le Tigre in guter Riot Grrrl Gesellschaft. 8bit Synthesizer, Punkstimme und verzerrte Gitarren wurden das Markenzeichen von CSS. Die Texte waren dem Namen und Credo der Band entsprechend bissig – vorzugsweise gegenüber „Art Bitches“ oder „Paris Hilton“. In bewährter Punk-Manier hatten die vier weiblichen Mitglieder von CSS vorher noch nie ein Instrument in den Händen gehalten. Dafür brachten die Kunst-, Design- und Filmstudenten um Sängerin Lovefoxxx andere Fähigkeiten mit:
Ich mache immer noch all die Drucke, Artworks und Layouts selbst. Wir mögen Bands, die die Dinge selbst ind die Hand nehmen und bei denen man das auch erkennt. Es ist viel persönlicher und interessanter für die Leute, die sich damit auseinandersetzen. Wir wollen keine perfekten Hochglanzbilder haben. Ich denke es ist gut, wenn es nicht richtig perfekt ist.
„Do it yourself!” statt Perfektionismus ist die Devise bei CSS. Dieser Hang zum Unpolierten und Ungeschönten war den Songs der Brasilianer schon immer anzuhören. Die zweite Platte Donkey war dann aber doch allzu lieblos im Tourstress zwischen Bus und Backstage zusammengeschustert worden. Seitdem lauern Fans wie Kritiker nun auf den nächsten großen Wurf. Für den hat sich die Band aber gehörig Zeit gelassen.
Es gab kein großes Drängen. Wir konnten uns darauf konzentrieren, Musik zu machen. Das ist so davor noch nie passiert. Als wir „Donkey“ gemacht haben, hatten wir zwar keine anderen Jobs mehr, aber wir mussten uns beeilen, die Platte zu machen. Diesmal waren wir sehr entspannt und alles hat prima funtioniert. Es war sehr relaxt, wir hatten dieses Haus in dem wir alles gemacht haben und für ein Jahr abhängen konnten. Wir haben gearbeitet, wann wir wollten. Eigentlich haben wir erst dort unsere Routine fürs Musikmachen entdeckt.
Die gute Stimmung unter den Bandmitgliedern merkt man dem neuen Album an. Auf La Liberación wird mehr fröhliche Karibikidylle versprüht, als auf allen früheren Platten zusammen. Ein Jahr also haben sich CSS verschanzt und an den Songs gefeilt. Dabei haben die Brasilianer ihren Sound deutlich verfeinert. Dass bei soviel Liebe zum Detail die Spontaneität auf der Strecke bleibt, verwundert wohl kaum. Das durchdachte Songwriting entschädigt nicht vollständig für den fehlenden Drang und Biss früherer Bandtage. Der typische Dance-Punk-Sound ist zu poppigen Radionummern rundgelutscht worden, die teilweise fast schon mit Lady Gaga und Kesha liebäugeln.
Im Laufe der ausgedehnten Arbeit an La Liberación haben CSS vielseitige neue Einflüsse aufgenommen. Diese wurden sofort in so unterschiedlichen Kooperationen umgesetzt, wie in jener mit Bobby Gillespie von Primal Scream oder den Electrobastlern von Ratatat. Der ausgeprägte Genre- und Stilmix amüsiert vor allem auf der ersten Hälfte der Platte. Ab dem Titeltrack geht es dann gitarrenlastiger zu. Als Brücke zwischen den beiden Albumteilen ist der Song gleichzeitig Kulminationspunkt einer neu entdeckten Leidenschaft für die spanische Kultur.
Spanisch ist für uns eine sehr interessante Sprache. Wir können es verstehen, obwohl es überhaupt nicht die gleiche Sprache ist. Die Wahl der Worte, die Spanisch sprechende Leute treffen, hört sich für uns so gut an. Wir hören das gerne und stehen total auf Almodovar-Filme. Als es dann um den Albumtitel ging, haben wir nie darüber gesprochen, dass er auf Portugiesisch oder Englisch sein sollte. Alle haben gesagt: „Nehmen wir den spanischen Titel!“. Das hat Adriano dann dazu inspiriert, diesen Punkrock-Song auf Spanisch zu machen.
Wie die letzte Säule einer alten Tempelanlage steht der Song als Reminiszenz an vergangene Electro-Punk-Zeiten. Musikalisch zwar gereift, fehlt La Liberación letztlich aber die Durchschlagskraft früherer Produktionen. CSS domestizieren ihren Dance-Punk soweit, bis die ironische Distanz zum Mainstream fast verloren geht. Was dabei übrigbleibt, sind immerhin hochwertige, vielseitige und durchdacht arrangierte Popsongs. Versetzt mit wohl dosierter Unangepasstheit, können sich auch Fans der ersten Stunde nicht ganz deren Charme verweigern. Man muss sie ja nicht gleich zusammen mit der neuen Bravo Hits kaufen.