Und dann geschah 2020
Mine ist Sängerin, Songschreiberin und Produzentin. Über die Musikhochschule Mainz und die Popakademie Mannheim führt ihr Weg konsequent Richtung Bühne. 2014 erscheint ihr erstes Album. Es folgen Auszeichnungen, große Konzerte mit Orchestern und Features mit Rappern wie Samy Deluxe und Fatoni. Jetzt bringt sie ihr neues Album „Hinüber“ raus, u.a. mit dem Song „Unfall“.
Die Ausgangssituation war 2020. Corona war in vollem Gange und ich habe mich viel mit Weltschmerz, Weltpolitik und der Gesamtsituation auseinandergesetzt. Ich war in einer Art Ohnmachtsgefühl gefangen.
Check deine Privilegien
„Worein bin ich gebor’n? Was bleibt mir verborgen?“ Damit beginnt der Song und bereitet so das Feld für einen regelrechten Fragenkatalog rund um die Themen Herkunft, Ungleichheit und Selbstwahrnehmung.
Ich glaube, dass wir alle, die wir hier die Möglichkeit haben zu leben, schon echt ein krasses Privileg haben. Wir werden ohne Krieg und Hungersnot groß. Natürlich gibt es auch in Deutschland Armut, aber doch gibt es immer ein Bett, auf das man fällt oder zumindest eine Stütze, die möglich ist.
Ein Sound wie ein Tornado
Produziert hat Mine den Song in einem Studio in Sandhausen, unterstützt von Marcus Wüst und Dennis Kopacz. Das Grundgerüst von „Unfall“ besteht aus einer Gitarren-Melodie und einem Beat, auf dem sich diverse Synthie-Flächen schichten, die Mine größtenteils mit ihrem Lieblings-Plugin Omnisphere einspielt.
Der dystopischen Grundstimmung entsprechend gipfelt der Song am Ende in einem opulenten Finale, inklusive Schlagzeug, Streichern, Bläsern und einem Taktwechsel.
Ich wollte diesen Sound haben, wenn du in einem Tornado stehst, von unten nach oben guckst und alles um dich herum geht zu Bruch und wird weggeweht.
Die Pandemie als Brandbeschleuniger
„Unfall“ ist kein Corona-Song, trotzdem hat die Pandemie den Entstehungsprozess beeinflusst, weil sie die Ungleichheit noch verstärke, sagt Mine.
Es ist einfach ganz klar, dass Kapitalismus die Welt bestimmt, nicht Humanismus. Wie wird der Impfstoff verteilt werden? Wenn ich an die europäischen Grenzen gucke, wird mir übel. Es wird soviel darüber berichtet, alle wissen Bescheid und keiner tut was. Durch die Pandemie sind die Leute natürlich noch mehr mit sich selbst beschäftigt. Ich finde, darüber darf man sich auch beschweren und traurig sein, aber trotzdem denke ich mir: Es ist krank, was andere Menschen gerade aushalten müssen.
In dieser Folge von Tracks & Traces hört ihr, wie Mine den Song „Unfall“ geschrieben und produziert hat, wie sie das Ohnmachtsgefühl im Songtext verarbeitet hat und wie es eine singende Säge in das Lied geschafft hat.
Übrigens hat Mine sehr viele musikalische Fans, die „Unfall“ gecovert haben, bevor der Song überhaupt draußen war. Dazu hat sie vorab die Noten und den Text geteilt und zum Nachspielen aufgerufen. Das Resultat sind fast 100 sehr unterschiedliche Versionen. Von Metal über Spoken Word bis hin zu Schranz und Jazz ist so ziemlich alles dabei. Kann man bestaunen auf singminesong.de.