Was haben Woodkid, Rhye und Churches gemeinsam? Sie alle sind Künstler, die aus einem Indie-Umfeld kommen. Ihre neuen Platten erscheinen jedoch alle auf dem Majorlabel Universal Music. Die Künstlerkataloge von Sony, Warner und Universal werden immer größer. Die drei Majorlabels nehmen insgesamt etwa 80 Prozent des Musikmarktes ein.
Bis September 2012 gab es mit dem britischen Label EMI noch ein viertes im Bunde. EMI wurde zur Überraschung einiger vom Branchenführer Universal Music aufgekauft. Branchenexperte Gideon Gottfried hat die Nachrichtenlage über den EMI-Kauf durch Universal lange beobachtet. Auch er war über die plötzliche Fusion verwundert:
Grundsätzlich waren es eben einfach immer die vier Majors, die nicht umsonst die großen Vier genannt wurden. Eben weil einfach alle vier schon groß waren. Deswegen hätte ich es immer für völlig absurd gehalten, es unter den anderen drei aufzuteilen. Aber so läuft das in der Wirtschaft. Wer die meiste Macht hat, kann sich noch mehr Macht verschaffen.
Die meiste Macht hat im Moment Universal Music. Durch den Aufkauf von EMI hat der Marktanteil des US-Medienkonzerns weiter zugenommen. Um bei einer solchen Fusion zu verhindern, dass ein Ungleichgewicht im Wettbewerb entsteht, schaltet sich hier die EU ein. Die EU-Kommission überprüft dies vor der Übernahme und greift in gegebenem Fall ein.
Auch Universal muss im Zuge der Fusion mit EMI einige Auflagen erfüllen. Dazu gehört der Verkauf von Untergruppen und Tochterlabels der EMI. Diesen Prozess nennt man Divestment. Matthias Petschke, deutscher Vertreter der EU-Kommission begründet die Entscheidung der EU:
Nach Auffassung der Kommission hätte das Vorhaben in seiner ursprünglich angemeldeten Form das Risiko gehabt, dass sich die Lizenzbedingungen für digitale Plattformen erheblich verschlechtern. Es geht uns darum, zu vermeiden, dass der Wettbewerb eingeschränkt wird. Wir wollen, dass im Endeffekt der Konsument nicht geschädigt wird, sondern im Idealfall profitiert.
Mit dem Eingreifen der EU sind viele aber noch nicht zufrieden. Eine Marktdominanz würde nicht wirklich verhindert werden. Dieser Meinung ist auch Jörg Heidemann, stellvertretender Vorsitzender des Verbandes unabhängiger Musikunternehmen, kurz VUT:
Wir haben der EU gegenüber immer Stellung bezogen und haben gesagt, das kann nicht euer Ernst sein. Wir drängen die EU darauf, den mehr oder weniger abgeschlossenen Divestment-Prozess weiter zu kontrollieren. Und zwar so, dass das auch für die kleinen und mittleren Labels in Ansätzen erträglich ist.
Denn Fakt ist, dass Universal durch den Kauf von EMI eine extreme Umsatzsteigerung im letzten Verkaufsjahr hatte. Universal konnte ein Plus von etwas über acht Prozent verzeichnen. Das verdankt das Label vor allem dem Aufkauf von EMI. Die gesamte Tonträgerbranche ist im Vergleich nur um 0,3 Prozent gewachsen. Gerade die Indie-Labels fühlen sich durch diese wachsende Marktposition bedroht.
Aus der Sicht der Independents gesehen ist es immer besser, wenn es mehr Konkurrenz gibt. Das sorgt schlicht und einfach dafür, dass Marktkonzentrationen nicht zu stark stattfinden, dass nicht ein Partner die gesamten Spielregeln für den ganzen Markt definiert. Und dass der Marktzugang auch in den Medien gewährleistet bleibt. Wenn wir ein quasi Monopol haben, haben wir als Independents große Schwierigkeiten uns im Markt zu behaupten.
Welche Problem das für die Indie-Labels unter anderem mit sich bringt, erklärt Heidemann weiter:
Wenn jetzt Universal oder die großen Major-Labels sagen würden, jede CD kostet nur noch fünf Euro, dann können die das natürlich machen. Dann haben alle anderen Marktteilnehmer ein Problem. Das können die Indipendent-Labels in der Form nicht. Die können irgendwann nicht mehr mithalten.
Auf Seiten der europäischen Kommission sieht man jedoch auch einen positiven Effekt für die Independent Labels. Die Veränderung des Marktes durch Universal sorge für eine Dynamik in der Musikindustrie. Laut EU-Kommissionsvertreter Petschke gibt es so neue Perspektiven für kleine Musikunternehmen:
Es wird nach unserer Einschätzung keine Benachteiligung geben für jüngere oder unabhängige Labels. Sondern vielleicht sogar ein Stück weit die Möglichkeit für diese dynamischen, aber etwas kleineren Unternehmen auf dem Markt noch bessere Perspektiven zu bekommen. Gegebenenfalls durch den Einstieg bei einen der EMI-Komponenten, die Universal abstoßen muss.
Ganz so einfach ist das aber nicht – Universal veräußert scheinbar nur Unternehmenszweige, die weniger lukrativ sind, sagt Gideon Gottfried:
Wenn man das an Zahlen und Anteilen festmacht, mag das schon sein, dass das Prozentwerte sind, die die Kartellrechtler zufriedenstellen. Aber zum Beispiel hat Universal Parlophone veräußert, dabei aber den Beatles-Katalog behalten hat. Universal hat auch Chrysalis veräußert, aber Robbie Williams im Katalog behalten. Die Kronjuwelen hat Universal nicht wirklich aus der Hand gegeben.
Apropos Künstler – Wie wirkt sich diese Universal-EMI-Problematik denn auf die Musiker aus? Das erläutert Heidemann vom VUT mit einem Fallbeispiel:
Ein Künstler war einige Zeit bei einem Independent Label unter Vertrag und hat durchaus akzeptable Erfolge erlangt und möchte seinen nächsten Karriereschritt gehen. Der nächste Karriereschritt wäre dann mit dem einen oder anderen Major über Vertragsgegebenheiten zu sprechen. Wenn da nur noch einer übrig ist, dann heißt es friss oder stirb.
Bleibt am Ende die Frage, welche Alternativen es gibt – für die Künstler, die anderen Labels und die Verbraucher. Ganz im Sinne der Indie-Labels hat Jörg Heidemann vom VUT eine Alternative zur Major-Dominanz:
Was jeder einzelne tun kann, ist auf die letzte CD gucken die er gekauft hat. Und mal schauen ob da ein Logo von EMI, Sony oder Universal darauf ist oder aber eines der unabhängigen Musikindustrie. Wir behaupten dann, dass die Musik unserer Mitglieder die interessantere und spannendere Musik ist.