Kantige Probleme
Wir wollten die Ecken der Tische zu unserem heutigen Gespräch auch nicht absägen. Das wäre nicht nur die Schädigung fremden Eigentums gewesen, es wäre auch der Sache nicht angemessen. Denn die Probleme, mit denen wir uns heute zu befassen haben, sind kantig. – Martin Ziegler
Mit diesen Worten hat Oberkirchenrat Martin Ziegler die Teilnehmer des zentralen Runden Tisches in der DDR zur ersten Sitzung am 7. Dezember 1989 in Ost-Berlin begrüßt. Wöchentlich trafen sich SED und Blockparteien mit Vertretern der Bürgerbewegung zu Gesprächen über die Probleme und die Zukunft des Landes.
Große Erwartungen
Obwohl die Teilnehmer des Rundes Tischs nicht gewählt worden sind, haben sie als eine Art ‚Nebenregierung‘ von Beginn an unter enormem Erwartungsdruck der ostdeutschen Bevölkerung gestanden. Mit großer Geduld konnten Regierung und Oppositionsparteien also vor 25 Jahren nicht rechnen. Die Mehrheit der Bevölkerung wollte die Revolution in einem Tempo vorantreiben, dass beide Seiten überforderte.
Die alten Strukturen bewahren
Im Mittelpunkt der Debatten hat Anfang des Jahres 1990 die Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit gestanden. Die amtierende Modrow-Regierung wollte die Geheimdienststrukturen bewahren und die Gemüter mit einer Umbenennung des MfS zunächst in „Amt für nationale Sicherheit“ und später in „Amt für Verfassungsschutz“ beruhigen. Ziel der Regierung war es vorerst, die alten Strukturen zu bewahren. Kurz darauf kam es zu Anti-Stasi-Protesten und der Besetzung der Stasi-Zentrale in der Ost-Berliner Normannenstraße.
Minister ohne Ministerium
Der Runde Tisch hatte keine legislativen und exekutiven Befugnisse. Dadurch blieb nur der öffentliche Druck und das moralische Gewicht seiner Vertreter, um klare Antworten aus dem Regierungsapparat zu bekommen beziehungsweise Anweisungen zu erteilen. Die eigentliche Macht lag in Bonn und Moskau. Das hatten die Minister ohne Geschäftsbereich bei zahlreichen Treffen zu spüren bekommen. Das wertvollste Instrument der Opposition war somit der Druck aus der Bevölkerung, was die Anti-Stasi Proteste belegen.
„Sozialistische Luftschlösser“
In seiner vorletzten Sitzung hat der Runde Tisch eine Sozialcharta verabschiedet. Diese beinhaltete eine lange Wunschliste von betrieblichen Rechten und Sozialleistungen. Die Frage der Finanzierung haben die Verfasser großzügig ausgeklammert. Bonner Politiker haben die Sozialcharta abschätzig als ’sozialistische Luftschlösser‘ bezeichnet.
Runder Tisch ohne Einfluss
Die Arbeit an einer neuen Verfassung hat der Runde Tisch nicht beenden können. Stattdessen überwies er den vorläufigen Entwurf als Arbeitsauftrag an die neue Volkskammer. Dort wurden die Vorstellungen für eine solidarische, gerechte und soziale Gesellschaft jedoch als idealistisch abgetan. Auch der Beschluss des Runden Tisches, das Grundgesetz der Bundesrepublik nicht zu übernehmen, wurde vom ersten freigewählten Parlament der DDR nicht weiter verfolgt.
Über den Runden Tisch vor 25 Jahren hat Holger Klein mit Mathias Platzeck gesprochen. Platzeck war selbst Teil des Runden Tisches und später Ministerpräsident des Landes Brandenburg.
Redaktion: Leef Hansen