Gedämpfte Geburtstagsfreude
Auf dem NATO-Gipfel hält sich die Freude zum 70. Jubiläum des Militärbündnisses in Grenzen. Von Donald Trump, der sich schon früher kritisch gegenüber der NATO geäußert hat, hat man gehofft, er würde dieses Mal auf Schmipftiraden verzichten. Diese Hoffnungen wurden vom US-Präsidenten routiniert enttäuscht: Deutschland zahle nach wie vor zu wenig und die Amerikaner bräuchten das Bündnis gar nicht, denn sie täten den Europäern doch lediglich einen Gefallen.
Dass Teile der Europäer das anders sehen, hat kürzlich erst Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit drastischen Worten deutlich gemacht: Die NATO, so Macron, sei „hirntot“ und die Europäer bräuchten mehr Eigenständigkeit in der Sicherheitspolitik. Den Osteuropäern wiederum, allen voran den baltischen Ländern, geht Sicherheit vor: Sie befürchten, dass ihnen ohne eine starke NATO im Rücken schon längst ein ähnliches Schicksal wie die Ukraine gedroht hätte.
Streit auf NATO-Gipfel zu erwarten
Grundsätzlich sollte man jedoch festhalten: Mit 70 Jahren ist die NATO für ein Militärbündnis außergewöhnlich alt – die meisten Bündnisse zerbrechen an militärischen Niederlagen, interner Zerstrittenheit oder eben dem Wegfall der alten Feinde. Die Sowjetunion und der Warschauer Pakt sind zwar schon lange Vergangenheit, aber an einer neuen sicherheitspolitischen Bedrohungen für die Bündnispartner mangelt es nicht.
Viele Osteuropäer sehen Russland als Gefahr, die USA blicken skeptisch nach China, während Frankreich vor allen Dingen in den Brutstätten des islamistischen Terrors im Maghreb und dem Nahen Osten intervenieren will. Dass sich das Bündnis nicht auf Prioritäten einigen kann, ist ein Problem. Und ob es auf dem NATO-Gipfel gelöst werden kann, ist noch offen.
Macron hat ganz zu Recht gefragt: Wer ist unser Feind? – Hans-Georg Ehrhart vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg
Über die Zukunft der NATO, die europäischen Sicherheit und die Idee einer EU-Armee, spricht detektor.fm-Moderator Christian Eichler mit dem Friedens- und Konfliktforscher Hans-Georg Ehrhart.
Redaktion: Dominik Lenze