Kritik an „Rückführungspolitik“
Seit Monaten schon beschäftigt die Flüchtlingskrise Europa. Nun haben die Innenminister der Europäischen Union einen zehnseitigen Aktionsplan zur „Zukunft der EU-Rückführungspolitik“ beschlossen.
Das Nachrichtenportal „euractiv“ spricht von einem „Geheimplan“ und nennt an Inhalten:
- das Ziel, mit mehr „Rückführung“ auch mehr Abschreckung zu schaffen
- eine Aufforderung an die Mitgliedstaaten, ihre „Haftkapazitäten“ auszubauen, damit abgelehnte Asylbewerber sich der Abschiebung seltener entziehen können
- eine EU-weite einheitliche Abschiebedatenbank
- das Frontex-Mandat ausweiten, so dass sog. „schnelle Eingreifteams“ auch in den Mitgliedsstaaten zum Einsatz kommen können
- mehr Druck auf die Herkunftsländer ausüben
- eine Ersatz-Pass einführen, der ausschließlich für die Abschiebung gültig ist
- Aufnahmezentren in Drittstaaten wie Jordanien oder Libanon errichten, in denen Geflohene abwarten sollen, bis die Konflikte in ihrer Heimat beendet sind
Das alles soll dabei helfen, Asylverfahren schneller und effizienter abzuwickeln. Das bedeutet: Flüchtlinge sollen schneller in Herkunftsstaaten oder auch in Nachbarländer zurückgeschickt werden, die als sicher gelten. Länder wie die Türkei, Libanon und Jordanien sollen dann Menschen aus Syrien wieder aufnehmen, die in Europa kein Bleiberecht bekommen.
Bereits im Vorfeld haben Organisationen wie Amnesty International und Pro Asyl solche Pläne heftig kritisiert: Die Europäische Union verstoße damit gegen Menschenrechte und geltende Asylgesetze.
„Anstatt zu einer neuen Flüchtlingspolitik zu kommen, geht man zurück und verschärft die herkömmliche Flüchtlingspolitik.“ – Werner Schiffauer, Rat für Migration
Hilfsorganisationen kritisieren, dass diese Länder ohnehin schon überfordert seien und nicht die Mittel hätten, um langfristig so viele geflüchtete Menschen zu versorgen. Strittig ist auch, ob beispielsweise die Türkei überhaupt als sicheres Herkunftsland gelten kann, während der türkisch-kurdische Konflikt neu aufflammt.
Einvernehmliche Lösungen statt Abschiebung?
Geschlossene Grenzen wie jetzt in Ungarn könnten verstärkt dazu führen, dass Flüchtlinge noch mehr auf notwendige Fluchthelfer wie auch kriminelle Schlepper angewiesen sind – so die Kritik. Europa baue damit vor allem eines aus: die Abschreckungspolitik.
„In dieser humanitären Krise ist es zentral erforderlich, dass wir zu einem Migrationsregime kommen, das nun tatsächlich eine Verteilung der Flüchtlinge auf Gesamteuropa erlaubt – und zwar in Einvernehmen mit den Flüchtlingen.“ – Werner Schiffauer
Über den Plan der europäischen Innenminister zur Zukunft der EU-Rückführungspolitik hat detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt mit Werner Schiffauer gesprochen. Er ist eine der Vorstände des Rates für Migration, in dem sich Wissenschaftler mit Fragen rund um Migration und Integration beschäftigen.
Redaktion: Mirjam Ratmann