Es herrscht der Ausnahmezustand. Das sonst so liberale Frankreich ist zu einem Polizeistaat geworden. In 80 französischen Städten ist für die Rückkehr zum Normalzustand demonstriert worden und auch die Menschenrechtsliga hat gegen den Ausnahmezustand geklagt. Das oberste französische Verwaltungsgericht hat die Klage jedoch mit dem Hinweis abgewiesen, dass immer noch eine unmittelbare Gefahr vorhanden sei. Aber ist der Ausnahmezustand der richtige Weg gegen den Terror?
Lieber sicher als frei?
Im Kampf gegen den Terror müsse man gnadenlos sein. Das hat zumindest Francois Hollande betont, als er den Ausnahmezustand in Frankreich einen Tag nach den Attentaten von Paris verhängt hat. Diese Gnadenlosigkeit beschränkt nun seit mittlerweile drei Monaten die Freiheit der französischen Bürger. Die Bilanz: Mehr als 3.000 Hausdurchsuchungen und 400 Hausarreste.
Der Kampf soll in die nächste Runde gehen. In dieser Woche hat die Nationalversammlung Frankreichs beschlossen, den Ausnahmezustand in die Verfassung aufzunehmen. Damit dürfen Demonstrationen verboten und Wohnungen ohne richterlichen Beschluss durchsucht werden. Nach dem Willen der Regierung ist das aber noch nicht das Ende der Sicherheitspolitik. Hinzu kommen beispielsweise die Aberkennung der französischen Staatsbürgerschaft, die Möglichkeit, Verdächtige bis zu vier Stunden ohne rechtlichen Beistand festzuhalten und ein erleichterter Schusswaffengebrauch, auch ohne sichtbare Bedrohung.
Ausnahmezustand: Klima der Angst
Amnesty International kritisiert den anhaltenden Ausnahmezustand, der nun um weitere drei Monate verlängert wird. Zudem wird die Notwendigkeit hinterfragt, greift sie doch in das Grundrecht der Freiheit erheblich ein. Trotz des unverhältnismäßig hohen Gebrauchs von Hausdurchsuchungen und Hausarresten sind große Erfolge jedoch bisher ausgeblieben. Aber Frankreich ist nur ein Beispiel für das schwierige Balancespiel zwischen Freiheit und Sicherheit.
In Frankreich hat die Terrorgefahr im Moment nicht den gleichen Schwellenwert wie vor einigen Monaten, aber dennoch will sich die Regierung nicht nachsagen lassen, keine Schutzvorkehrungen getroffen zu haben, wenn doch mal was passieren sollte. – Thomas König, Politikwissenschaftler am Mannheimer Zentrum für Sozialforschung (MZES)
Durch die Vorratsdatenspeicherung, die in Deutschland jünst wieder eingeführt worden ist, sind laut Max-Planck-Institut eher kleine Erfolge beim Kampf gegen den Terror erzielt worden. Aber viele Sicherheitspolitiker scheinen sich gegen die ständige Terrorbedrohung gerne umfassend abzusichern. Es gilt offenbar das Prinzip: „Im Zweifel für die Sicherheit“. Kollektive Sicherheit scheint jedenfalls in Zeiten ständiger Terrorbedrohung einen höheren Stellenwert als die individuelle Freiheit zu haben.
Wie sehr die Freiheit unter dem Argument der Sicherheit leidet und ob es einen Ausweg aus dem Ausnahmezustand gibt, hat detektor.fm-Moderatorin Constanze Müller von Thomas König erfahren. Er arbeitet als Politikwissenschaftler am Mannheimer Zentrum für Sozialforschung.
Redaktion: Johanna Siegemund