Warum die Debatte?
Nach dem LKW-Anschlag von Berlin kurz vor Weihnachten häufen sich Vorschläge und Forderungen für neue Sicherheitskonzepte in Deutschland. Im Mittelpunkt steht der Umgang mit sogenannten Gefährdern. Im Polizeisprech sind das Menschen, von denen potentiell Gefahr ausgehe.
Man nimmt also schlicht an, dass sie eine Straftat begehen könnten. Einen konkreten Verdacht gibt es nicht: dann nämlich würde gegen sie ermittelt und sie wären Verdächtige.
Strafe ohne Straftat?
Circa 500 islamistische Gefährder soll es dem Innenministerium zufolge in Deutschland geben. Der Berliner Attentäter war einer von ihnen.
Gefährder wie er sollen einfacher überwacht, festgehalten und ausgewiesen werden – das fordern nun viele, allen voran Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Justziminister Heiko Maas, der sogar eine lückenlose Kontrolle dieser Personen mittels elektronischer Fußfessel oder längere Haft ohne konkrete Straftat durchsetzen will.
Gefährder – ein problematisches Konzept?
Was nachvollziehbar klingt, hat nicht nur einen Haken. Denn der Begriff des Gefährders ist mehr als schwammig. Juristisch gesehen existiert er überhaupt nicht. Obwohl seit vielen Jahren in der polizeilichen Praxis präsent, hat er es bis heute in kein einziges Landes- oder Bundesgesetz geschafft.
Ich kann Ihnen nicht sagen, wie man Gefährder wird. Weil der Gefährderbegriff oder auch die Einstufung von Gefährdern in keinem deutschen Polizeigesetz in Bund und Ländern als eine Norm, als ein gesetzlicher Paragraph gefasst wurde. Das heißt also: die Polizei – in allen Bundesländern! – stuft Gefährder ein und überwacht sie, ohne dass das Gesetz ihr erlaubt, dieses zu tun. – Charles von Denkowski
In etlichen Gesprächen mit Verfassungsrechtlern hat er immer wieder zu hören bekommen: vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hätte derlei ohnehin keinen Bestand.
Warum das so ist und was das für die Debatte bedeutet, hat detektor.fm-Moderator Alexander Hertel mit Polizeiwissenschaftler Charles von Denkowksi diskutiert. Er erforscht Herkunft und Entwicklung des Gefährderbegriffs seit Jahren, promoviert derzeit an der Ruhr-Universität Bochum und war zuvor selbst als polizeilichen Staatsschützer tätig.
Redaktion: Alexander Goll und Lia Rogge