Frühzeitig kritisch und kontrovers
Für seine unangepasste Art ist er gleichermaßen geliebt und geachtet worden: Heiner Geißler. Dabei hat er damit nur den politischen Zeitgeist seiner Generation widergespiegelt.
Heiner Geißler wurde am 3. März 1930 in Oberndorf am Neckar als Sohn eines Oberregierungsrates geboren. Vor seiner Karriere als Politiker studierte er in der Nachkriegszeit Philosophie und später Jura. Er promovierte mit einem für die damalige Zeit provokantem Thema: „Das Recht der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen“. Kritisch und kontrovers blieb er auch auf seinem politischen Weg. Nach kurzer Zeit als Richter in Stuttgart wechselte Geißler in die Lokalpolitik. 1961 wurde er Vorsitzender der Jungen Union in Baden-Württemberg. Mit der Wahl 1965 schaffte er es in den Bundestag. Zwei Jahre später wurde er unter Ministerpräsident Peter Altmaier in das Amt des Sozialministers von Rheinland-Pfalz berufen und anschließend CDU-Generalsekräter.
Vom Parteigeneral zum Querdenker und Sozialreformer
Geißler unterstütze seinen Parteikollegen Helmut Kohl und organisierte seine Bundestagswahlkämpfe. Dafür hat der ehemalige Bundeskanzler ihn 1982 zum Familienminister berufen. In diesem Amt wusste Geißler zu provozieren und zu reformieren. Er führte erste Kindergarten-Gesetze und Sozialstationen ein. Damit hat er dem Erziehungsurlaub und der Anrechnung von Erziehungsjahren in der Rentenversicherung den Weg bereitet. So sorgte Geißler auch dafür, dass Rita Süßmuth seine Nachfolgerin im Jugend- und Familienministerium wurde. Sein Engagement führte aber auch zum Streit um das Familien- und Frauenbild innerhalb der Union.
Er hat als zweiter Generalsekretär unter Kohl aus einer doch sehr behäbigen Partei eine moderne, fortschrittliche Volkspartei gemacht, die sich auch geöffnet hat für neue Kreise – Johannes Gerster, CDU-Politiker
Vermittler und Schlichter
Zuletzt war Geißler Mitglied der globalisierungskritischen Organisation Attac. Außerdem war er Schlichter in vielen Tarifverhandlungen und Vermittler im Streit um das umstrittene Bahn-Großprojekt Stuttgart 21. Für diese Aufgabe hat er vielseitig Anerkennung erhalten. Bis ins hohe Alter hat er sich zu aktuellen politischen Themen geäußert.
detektor.fm-Moderator Gregor Schenk hat mit Dr. Johannes Gerster über das politische Vermächtnis und den kantigen Charakter von Heiner Geißler gesprochen. Der langjährige Kollege von Geißler und CDU-Bundestagsabgeordneter wirkte als innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion und schrieb mehrere Bücher über die politische Parteilandschaft in Deutschland sowie die deutsch-israelischen Beziehungen. Er war von 2006-2010 Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.
Redaktion: Lina Bartnik