Es gilt als Bürgerpflicht, als Stützpfeiler der Demokratie, als Ausdrucksform des Souveräns: der Gang an die Wahlurne. Der Bürger wählt und vergibt damit Mandate an Politiker. Unser gesamtes politisches System baut darauf auf – und ein weiteres Mal stellte das höchste deutsche Gericht nun fest, dass das geltende Wahlrecht nicht mit unserer Verfassung vereinbar ist.
Was diesmal Stein des Anstoßes war und welche Konsequenzen diese Entscheidung aus Karlsruhe haben kann, darüber haben wir mit Reinhard Müller gesprochen, der bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verantwortlicher Redakteur für „Staat und Recht“ ist.
Hintergrundinformationen: Warum das Wahlrecht überarbeitet werden muss
Bereits 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht das Wahlrecht bemängelt. Dabei ging es vor allem um die Zahl der Überhangmandate.
Der Begriff „Überhangmandat“ beschreibt den Effekt, dass für eine Partei mehr Abgeordnete in den Bundestag einziehen, als ihr prozentual zustehen. Mit der Erststimme wählen Bürger Direktkandidaten in den Bundestag – dieser Sitz ist den Abgeordneten sicher. Auch dann, wenn eine Partei per Zweistimme eigentlich prozentual weniger Sitze errungen hat. Die Zahl der Sitze im Bundestag, eigentlich 598, erhöht sich um die Zahl eben dieser Überhangmandate.
Das Bundesverfassungsgericht will maximal 15 solcher Überhangmandate. Derzeit sind es deutschlandweit 22 – alle bis auf einen entfallen auf die CDU.
Das Ausmaß der Überhangmandate hatte die schwarz-gelbe Koalition auch Ende 2011 bei einer Wahlrechtsreform nicht begrenzt. Das Bundesverfassungsgericht hat nun dieses reformierte Wahlrecht als verfassungswidrig eingestuft.