Jan Böhmermann: Vom Satire-Song zum Schmähgedicht
Angefangen hat alles mit dem Satire-Video „Erdowie, Erdowo, Erdogan“ der NDR-Sendung extra3. Nach Veröffentlichung der Kritik an Staatspräsident Erdogan hat die türkische Regierung den deutschen Botschafter Martin Erdmann einbestellt. Er musste sich für das Video rechtfertigen.
Als Reaktion auf die Aufregung um das Video, hat der ZDF-Komiker Jan Böhmermann in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ ein „Schmähgedicht“ auf Erdogan vorgetragen, um den Unterschied zwischen Satire und plumper Beleidigung klarzustellen. Das persönlich beleidigende Gedicht versuchte Böhmermann dabei immer wieder mit der Äußerung „Das darf man nicht machen“ zu relativieren.
Erdogan versteht keinen Spaß
Das ZDF fand die Aktion nicht lustig und ließ die Sendung kurzerhand aus der Mediathek löschen. Wenige Tage später äußerte sich auch Bundeskanzlerin Merkel zum Gedicht. Es sei „bewusst verletzend“. Die Bundesregierung prüft aktuell noch, ob ein Verfahren gegen Jan Böhmermann eingeleitet werden soll. Nun hat der türkische Präsident selbst Strafanzeige gegen Böhmermann gestellt. Er bezieht sich dabei auf den Paragraphen 103 des Strafgesetzbuches. Darin heißt es: „Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt […] beleidigt, wird […] im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“
Wenn wir anerkennen, dass die Meinungsfreiheit nicht total schrankenlos ist, dann muss diese Grenze auch an irgendeinem Punkt gezogen werden. – Achim Doerfer, Rechtsanwalt
Panik, Protest und Petitionen
Die Aufregung ist groß. Während Dieter Hallervorden bereits einen weiteren Song gegen Erdogan aufgenommen hat, wird Böhmermann von seinen Kollegen Oliver Welke und Oliver Kalkofe in Schutz genommen. Selbst Yanis Varoufakis meldet sich zu Wort:
Europe first lost its soul (agreement with Turkey on refugees), now it is losing its humour. Hands off @janboehm! https://t.co/w6bTJjp0QG
— Yanis Varoufakis (@yanisvaroufakis) 11. April 2016
Zur Verteidigung Böhmermanns ist jetzt die obligatorische Online-Petition ins Leben gerufen, die schon über 100.000 Unterschriften gesammelt hat. Der Streitfall kommt mittlerweile einer Staatsaffäre gleich. Ob die Klage Erdogans rechtmäßig oder völlig übertrieben ist, hat detektor.fm-Moderator Javan Wenz den Rechtsanwalt Achim Doerfer gefragt.
Redaktion: Christian Eichler