Seit 36 Jahren arbeitet Bernd Posselt im Europaparlament. Angefangen hat er als Mitarbeiter des Kaisersohns Otto von Habsburg. Von 1994 ist er als Abgeordneter der CSU dabei gewesen. Seitdem hat er keine einzige Plenarsitzung verpasst, hat sich kein einziges Mal krank gemeldet. Europapolitik ist seine große Leidenschaft.
Vor gut einem Jahr kam dann, man kann es fast schon so nennen, der Schicksalsschlag für den CSU-Politiker. Seine Partei hat bei der Europa-Wahl deutlich an Stimmen verloren, es konnten nur noch fünf Abgeordnete entsendet werden. Bernd Posselt hatte den Listenplatz Nummer 6.
Gekommen, um zu bleiben
Auf die Ernüchterung ist bei Posselt wilde Entschlossenheit gefolgt. Zur ersten Sitzungswoche nach der Europawahl ist er selbstverständlich angereist, wie immer. Manchen Kollegen soll gar nicht bewusst gewesen sein, dass der Münchner nun kein regulärer Abgeordneter mehr war.
Im Europaparlament gibt es ein kleines Büro für ehemalige Abgeordnete. Den Raum hat er eigentlich immer für sich. Posselt bezeichnet sich fortan selbst als ersten ehrenamtlichen Europa-Abgeordneten.
Politik auf eigene Kosten
Viele Gremien sind dem leidenschaftlichen Europa-Politiker auch als ehemaliger Abgeordneter zugänglich. Er besucht die Besprechungen der Fraktion zur Außenpolitik und lässt sich mit den CSU-Abgeordneten ablichten. Sogar Reden darf er weiterhin halten und regt damit Diskussionen an. Nur abstimmen darf Posselt nicht mehr. Der vielleicht bezeichnendste Punkt für sein Engagement: Es geschieht seit über einem Jahr auf eigene Kosten. Anreise, Hotel, Taxi-Fahrten – all das bezahlt der 59-Jährige selbst.
Vorbild oder Störenfried?
Einige Menschen fragen sich, womit Bernd Posselt seine Arbeit rechtfertigt. Schließlich haben die Bürger ihn nicht mehr ins Parlament gewählt. Auf der anderen Seite ist sein unermüdliches Engagement genau das, was viele bei anderen Politikern schmerzlich vermissen.
Münchener Merkur-Redakteur Christian Deutschländer hat Bernd Posselt im EU-Parlament besucht und ein Porträt über ihn geschrieben. detektor.fm-Moderatorin Jennifer Stange hat mit ihm über Posselts Motivation gesprochen und über die Frage: Darf der das überhaupt?
Redaktion: Mona Ruzicka