Von al-Qadia zum Kalifat
Die Bezeichnung Islamischer Staat – oder IS – ist heute in den Nachrichten allgegenwärtig – dabei hat man sie vor einem Jahr noch in keiner Schlagzeile gefunden. Erst im Juni 2014 haben die Islamisten im Irak und Syrien ein Kalifat ausgerufen und dabei den neuen Namen übernommen. Das zeigt auch, wie sich das Selbstverständnis der teilweise als „Terrormiliz“, teilweise als „Dschihadistengruppe“ umschriebenen Organisation seit ihren Anfängen im Jahr 2003 gewandelt hat.
Seit 2010 imitiert und übernimmt der Islamische Staat im Irak und Syrien mehr und mehr Funktionen, die tatsächlich denen einen Staates ähneln. Und trotz militärischen Widerstands irakischer, kurdischer und iranischer Kräfte: eine Niederlage ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Mittlerweile sollen die Dschihadisten ihren Einflusskreis sogar erweitern – nach Angaben der Vereinten Nationen breiten sie sich jetzt nach Afghanistan aus.
„Katalysator“ des Jüngsten Gerichts
Der Aufstieg des IS begann in den Wirren des syrischen Bürgerkriegs und im innenpolitisch geschwächten Irak. Seitdem hat die dschihadistisch-salafistische Organisation durch grausame Hinrichtungen die Weltgemeinschaft erschüttert.
Berüchtigt ist der IS auch für die teilweise professionelle mediale Aufbereitung der Enthauptungsvideos, mit der er gezielt Propaganda verbreitet und den Rest der Welt gegen sich aufbringt. Skrupellose Brutalität, die Methode hat.
Ihr Ziel ist es, bei uns so ein Entsetzen auszulösen, dass die Bereitschaft entsteht, dort militärisch zu intervenieren. Eine wichtige Grundlage des islamischen Staates ist das apokalyptische Denken: ‚Wir sind derjenige als Kalifat, der den Prozess einleitet, der zum Jüngsten Gericht führt.‘ Am Beginn dieses Prozesses steht, dass die sogenannten ‚Armeen des Westens‘ oder die ‚römischen Armeen‘, wie es in der islamischen Tradition heißt, nach Nordsyrien kommen und dort von der Armee des Islams geschlagen werden. Der Islamische Staat sieht sich als Katalysator für diesen Prozess.“ – Rainer Hermann, Autor von „Endstation Islamischer Staat?“
Was kann den IS noch aufhalten?
Rainer Hermann ist Islamwissenschaftler und Redakteur bei der FAZ. Er hat in Kuwait, Istanbul und Abu Dhabi gelebt und arbeitet seit 2012 wieder in Deutschland. Gerade ist bei dtv sein Buch mit dem bewusst provokativen Titel „Endstation Islamischer Staat?“ erschienen.
Im Rahmen der Leipziger Buchmesse ist Rainer Hermann bei detektor.fm zu Gast gewesen und hat sich mit unserer Moderatorin Doris Hellpoldt besprochen, wie der Islamische Staat seine aktuelle Macht erlangt hat, was ihn heute kennzeichnet und was nötig ist, um ihn erfolgreich zu bekämpfen.