Menschen werden auf offener Straße gejagt, geschlagen, auf sie wird uriniert, sie werden gefoltert, missbraucht und zu Gräbern geführt. Das passiert in Russland und es passiert offenbar immer wieder.
Immer wieder gibt es Hetzjagden russischer Neonazis auf Homosexuelle. Sie werden öffentlich geoutet und gedemütigt und fast immer läuft die Handykamera mit. Die Videos landen bei Familien, Arbeitgebern und in sozialen Netzwerken – und sorgen für ein erdrückendes Klima der Angst. Nun, heißt es unbestätigten Berichten zufolge, soll ein erstes der von Neonazis gefolterten Opfer an den erlittenen Verletzungen gestorben sein. Auch wenn diese Meldung momentan unbestätigt ist, die Verfolgung Homosexueller in Russland wird offenbar immer schärfer und kann kaum bestritten werden.
Polizei und Militär machen mit
Seit Monaten nehmen die Schlagzeilen rund um solche Übergriffe zu. Immer wieder werden Berichte teilst brutalster Übergriffe bekannt. Und immer wieder sind auch Polizei und Militär involviert: vergangene Woche ist ein einzelner Aktivist in St. Petersburg von Soldaten angegriffen worden. In Lipezk verletzten Mitglieder der Luftlandetruppen Schwulen-Aktivisten vor einem Gerichtsgebäude, wo sich mehrere Paare für die Eintragung der Ehe eingesetzt hatten.
Wenn das Gesetz die Täter schützt
Die Täter wähnen sich häufig im Recht und können sich in dieser Ansicht noch bestärkt fühlen: nicht nur durch eine Polizei und Justiz, die kaum nennenswert eingreift, sondern auch durch ein neues Gesetz, das, so wörtlich, „Homosexuellen-Propaganda“ verbietet. Vielen Beobachtern scheint es, als ob die Mitte der Gesellschaft gegen Minderheiten intoleranter wird und teilweise aggressiv gegen Minderheiten wie Schwule vorgeht.
Ist der Protest aus Deutschland und Europa zu leise? Erreicht er die russische Regierung überhaupt? Und was bleibt, wenn Worte und Mahnungen keine Wirkung erzielen? Ein Interview über die Grenzen der Diplomatie – mit Markus Löning, dem Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik.
Die russische Seite reagiert zunehmend genervt. (…) Es ist immer frustrierend, wenn eine Menschenrechtssituation schlechter wird. Und es wird einem immer wieder deutlich, dass man natürlich keine Polizeigewalt über ein anderes Land hat. – Markus Löning