Die EU braucht eine neue Regelung
Eigentlich regelt das Dubliner Abkommen den Umgang und die Verteilung von Flüchtlingen, die in die EU einreisen. Doch spätestens seit der aktuellen Flüchtlingswelle ist es faktisch außer Kraft gesetzt. Zum Einen, weil Länder wie Ungarn einfach einen Zaun bauen und somit die Aufnahme verweigern. Zum Anderen, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bestehende Vereinbarungen umgeht, wenn sie die in Deutschland ankommenden Flüchtlinge nicht dorthin zurückschickt, wo sie erstmals den Boden der EU betreten haben.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz Bamf, spricht zwar lediglich von neuen Leitlinien, die aus humanitären Gründen angewendet werden müssten. Dies hat jedoch zur Folge, dass die Tage des ohnehin überholten Abkommens gezählt sind. Die Kanzlerin sprach unlängst davon, dass neue Regelungen gefunden werden müssen, und auch die Innenminister der EU-Staaten haben dies erkannt. Ende September haben sie die Umsiedlung von 120.000 Flüchtlingen für das kommende Jahr beschlossen. Bei der Zahl handelt es sich jedoch lediglich um einen kleinen Bruchteil der Flüchtlingsmassen.
Neoliberale Gedankenspiele
Ökonomen haben nun wirtschaftlich effizientere Lösungsansätze vorgeschlagen. Einer von ihnen ist der Münchner Volkswirtschaftschaftler Prof. Volker Meier. Wo die Innenminister als Kriterium nur die Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl der aufnehmenden Länder in Betracht zieht, sehen Meiers Pläne anders aus.
Sein Konzept ist eine Art Bieterverfahren der Kommunen, bei dem regionale Umstände und Kriterien größere Beachtung zuteil wird. Ähnlich dem Emissionshandelsprinzip würden Regionen mit geeigneteren Voraussetzungen für die Aufnahme ungeeignetere Regionen entlasten. Das heißt, Städte, in denen die Integrationschancen am höchsten sind, würden den niedrigsten Preis für die Aufnahme verlangen, so seine Annahme. Meier erhofft sich auf diese Weise eine effizientere und günstigere Verteilung der Flüchtlinge als bisher. Dieses Konzept lässt sich auch ohne weiteres auf den gesamten Kontinent übertragen.
Ein schmaler Grat zwischen Emissions- und Menschenhandel
Die Lage ist eindeutig: Nach dem bisherigen Übereinkommen lassen sich die Probleme bei der europaweiten Verteilung nicht lösen. Auch bundesweit scheinen mancherorts die Kontingente erschöpft. Daher macht es durchaus Sinn, über alternative Kriterien nachzudenken. Kritiker bemängeln jedoch, dass ein Bieterverfahren Flüchtlinge wie Produkte behandelt, deren Menschenwürde dadurch empfindlich getroffen werden könnte, und generell ökonomische Prinzipien nicht eins zu eins auf soziale Themen umsetzbar sind. Erweitert um eine soziologische Komponente könnte jedoch mit Meiers effizienter und günstigerer Variante dem Problem der Verteilung beizukommen sein.
Über die Verteilung von Asylsuchenden und die Reformierung des Dubliner Abkommens hat detektor.fm-Moderator Thibaud Schremser mit dem Ökonomen Prof. Volker Meier gesprochen.
Redaktion: André Beyer