Privater Verlag im staatlichen Prozess
Der Gesetzgebungsprozess in der Bundesrepublik Deutschland folgt einem einheitlichen Schema: Initiative der Regierung, Beschluss durch Bundestag und Bundesrat und dann die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Dieses Verkündungsblatt erscheint im Auftrag des Bundesjustizministeriums im privaten Bundesanzeiger-Verlag. Lange Zeit ist er staatlich gewesen und ist im Zuge weitreichender Privatisierungen an den Dumont-Verlag verkauft worden.
Der Dumont-Verlag hat sich dieses sehr lukrative Angebot nicht entgehen lassen und sich den Bundesanzeiger-Verlag geholt. – Arne Semsrott, Frag den Staat
Seit dieser Privatisierung im Jahr 2006 ist somit ein profitorientiertes Unternehmen am staatlichen Prozess der Gesetzgebung beteiligt. Die gesamten Bundesgesetze können interessierte Bürger aber nur gegen eine Gebühr online nachschlagen. Eine Weiterverwendung erlaubt der Verlag mit Verweis auf das Urheberrecht jedoch nicht.
Portal „Offene Gesetze“ schafft Transparenz
Gegen den fehlenden allgemeinen Zugriff auf die Gesetzestexte hat das Portal „Offene Gesetze“ nun einen ersten Schritt gewagt. Alle Bundesgesetze, die seit der Gründung der Bundesrepublik 1949 erlassen wurden, sind dort ab sofort online frei verfügbar. Bürger können sich diese frei herunterladen, lesen und vervielfältigen. Nun stellt sich die Frage: Wird der Verlag gegen diese nicht genehmigte Veröffentlichung rechtlich vorgehen?
Die Frage des Urheberrechts
Die Macher der Open Knowledge Foundation, die hinter der Initiative „Offene Gesetze“ steht, rechnen mit rechtlichem Widerstand aus dem Bundesanzeiger-Verlag. Sie haben sich bewusst angreifbar gemacht. Gilt das Urheberrecht des Verlages also auch für Bundesgesetze? Das Unternehmen beruft sich lieber auf den Schutz ihrer Online-Datenbank als auf das Urheberrecht der staatlichen Gesetzestexte. Hier scheint ein neuer Präzedenzfall aufzutreten.
Welche Auswirkungen der Vorstoß des Portals „Offene Gesetze“ für die Transparenz der deutschen Bundesgesetzgebung hat, bespricht detektor.fm-Moderatorin Juliane Neubauer mit Arne Semsrott von Frag den Staat, der auch bei der Open Knowledge Foundation aktiv ist.
Redaktion: Lars Feyen