Ein Präsident wie Charles de Gaulle
Die Franzosen sind auf der Suche nach einem starken Politiker. Nach den Regierungsjahren von Staatschef François Hollande wollen die Wähler am liebsten wieder einen Präsidenten à la Charles de Gaulle an der Spitze von Frankreich: überparteilich, selbstlos und durchsetzungsstark. Denn Hollande laufen reihenweise die eigenen Anhänger und Verbündeten davon.
Das erklärt das Umfragenhoch des 70-jährigen Alain Juppé. Der ehemalige Premierminister muss niemandem etwas beweisen. Seit 40 Jahre ist er in Frankreichs Spitzenpolitik, aktuell bekleidet er das Amt des Bürgermeisters von Bordeaux. Bei Juppé steht nicht er selbst im Vordergrund, sondern vor allem die Zukunft von Frankreich und dessen Rolle in Europa.
Der Ziehsohn auf Abwegen
Juppé hebt sich damit ab von den restlichen schillernden Spitzenpolitikern in Frankreich. Nicolas Sarkozy oder Marine Le Pen betreiben beständiges Selbstmarketing, ihr Machthunger scheint unstillbar.
Solche Ambitionen scheint auch Wirtschaftsminister Emmanuel Macron zu haben. Der junge, politische Senkrechtstarter und Ziehsohn von Hollande hat seinen Rücktritt aus der Regierung verkündet. Er wolle sich vollständig seiner eigenen politischen Bewegung „En marche!“ widmen.
Macron tritt in die Fußstapfen zahlreicher anderer Spitzenpolitiker, die sich – wenn nötig – ihre eigenen Parteien schufen, um an die Führungsspitze des Landes vorzudringen. So hat der ehemalige Präsident Nikolas Sarkozy erst 2015 seine Partei verändert. Er benannte die „Union für eine Volksbewegung“ in „Die Republikaner“ um. Zeitgleich gab er der Partei einen neuen Kurs, der vor allem gut zu Sarkozy passte.
Nicht nur in Frankreich: Personen statt Parteien
Frankreichs Parteien stehen in einer Tradition der Instabilität und Zersplitterung. Es waren immer die jeweiligen Spitzenpolitiker und nicht die Parteien, die im Land die Wahlen entschieden. Dementsprechend stechen einzelne Politiker stärker als ihre Parteien hervor.
Ein Trend, der sich so auch in Deutschland beobachten lässt. So gründet Angela Merkels Erfolg seit Jahren eher auf ihrer eigenen Person als auf ihrer Partei. Auch die deutlichen Wahlerfolge von Winfried Kretschmann von den Grünen bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg oder von Malu Dreyer (SPD) in Rheinland-Pfalz hatten wohl weniger mit dem Parteiprogramm als mit der jeweiligen Persönlichkeit zu tun.
Wie die Politik in Frankreich tickt und was wir daraus für die deutsche lernen können, darüber hat detektor.fm-Moderator Thibaud Schremser mit Frank Baasner gesprochen. Er ist Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg.
Redaktion: Jonathan Gruber