Anders als die kleinen Werbeartikel in Arzt- und Wartezimmer haben vor allem die nicht sichtbaren finanziellen „Belohnungen“ das Potenzial, Ärzte korrumpierbar zu machen. Für das Verschreiben bestimmter Medikamente gibt es nicht selten im Gegenzug das Sponsoring von Kongressen, Partys, Vorträgen oder auch Büchergeld bereits während des Studiums. Lange Zeit war es rechtlich nicht vorgesehen, dass niedergelassene Ärzte wegen Bestechlichkeit bestraft werden könnten. Im Jahr 2012 aber hat der Bundesgerichtshof dann auf diese Gesetzeslücke aufmerksam gemacht und heute hat der Bundestag ein entsprechendes Gesetz beschlossen.
Komische Gefühle und viele Fragen
Heikel beispielsweise sind „Anwendungsbeobachtungen“, bei denen der Patient nicht weiß, dass er mit der Einnahme des vermeintlichen Heilmittels den Arzt bereichert. Einsichten wie diese hinterlassen ein komisches Gefühl und viele Fragen: Wenn der Arzt die Pharmaindustrie im Nacken hat, wie wahrscheinlich ist es dann noch, dass er das Medikament verschreibt, das dem Patienten am besten hilft? Warum gibt es ausgerechnet in einem so sensiblen Bereich wie der Gesundheitsbranche keine Regularien, die die Unbefangenheit der Ärzte sicherstellen? Wie realistisch ist es, dass sich nach der Durchsetzung des Gesetzes das Verhältnis zwischen Ärzten und der Pharmaindustrie auf eine professionelle Distanz normalisiert?
Drei bis fünf Jahre Haft für Korruption
Dr. med. A. Crusius von der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern behauptet in seiner Ansprache an seine Kollegen: Sollte es wirklich ein Prozent der Kolleginnen und Kollegen im ärztlichen Bereich sein, die korrumpierbar sind, dann seien 99 Prozent vernünftig und lassen sich in ihrer Berufsausübung nicht manipulieren. Aber „schwarze Schafe“ gebe es überall!, so Crusius.
Offenbar gibt es aber doch ein paar mehr schwarze Schafe, als man innerhalb des Berufsstandes glaubt. Aus diesem Grund sieht der Gesetzesentwurf von Heiko Maas nun vor, dass Ärzten, denen Korruption nachgewiesen werden kann, mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden können.
Das Gesetz reicht nicht aus
In erster Linie geht es hier darum, die Praxis der Verschreibung bestimmter Medikamente gegen Provision oder die Praxis der Zahlung von „Kopfgeldern“ für die Überweisung in bestimmte Krankenhäuser zu unterbinden.
Es ist richtig, dass Korruption im Gesundheitswesen jetzt bestraft wird – aber das Gesetz wird nicht ausreichen, weil nur die knallharte Bestechung strafbar wird, aber nicht das, was man Vorteilsnahme nennt. – Thomas Lempert, Arzt und Mitglied im Fachausschuss für Transparenz und Unabhängigkeit der Arzneimittelkommission
Heute Nachmittag also wird das Gesetz beschlossen, die Schlupflöcher, durch die die Pharmaindustrie Einfluss auf Ärzte nimmt, sind damit noch längst nicht alle geschlossen. So wie Thomas Lempert sagen aber immer mehr Ärzte:
Das ist nicht in Ordnung – wir verdienen genug; wir brauchen dieses Zubrot von der Pharmaindustrie nicht! – Thomas Lempert
Darüber sprach Thomas Lempert, Arzt und Mitglied im Fachausschuss für Transparenz und Unabhängigkeit der Arzneimittelkommission, mit detektor.fm-Moderatorin Astrid Wulf anlässlich des heute verabschiedeten Gesetzes gegen die Korruption im Gesundheitswesen.
Redaktion: Kristin Lakva