Es kriselt in Europa. Und das schon länger. Die Staatengemeinschaft sucht in der aktuellen Finanz- und Schuldenkrise und in der Flüchtlingspolitik nicht nur nach einem gemeinsamen Kurs, sondern auch nach einer Identität. Was wird aus Europa in der Krise? Die überzeugte Europäerin Gesine Schwan plädiert leidenschaftlich für mehr Europa und mehr Gemeinschaft.
Europa driftet auseinander
„Mehr Europa wagen“, das hat der Bundespräsident Joachim Gauck bereits 2012 in einer seiner ersten Reden gefordert. Seitdem ist die Staatengemeinschaft nicht enger zusammengewachsen. Im Gegenteil: In der Krise haben sich die Mitgliedsstaaten in wichtigen Fragen wieder voneinander entfernt. Europa driftet zunehmend auseinander.
Die gemeinsame Debatte ist einerseits mehr gegeben als früher. Aber andererseits erfolgen die Antworten viel mehr als früher aus nationalstaatlicher Sicht und gerade Deutschland ist offensiv nicht solidarisch. – Gesine Schwan
Politik: Egoismus statt Gemeinschaft
Dass nach einem Gipfeltreffen in Brüssel 28 einzelne Pressekonferenzen stattfinden, findet Gesine Schwan bezeichnend: Die 28 Regierungschefs würden als nationale Politiker gegeneinander handeln, weil sie auf ihre eigene Wiederwahl bedacht seien. Besonders wenn es um den Umgang mit Griechenland geht, kritisiert Gesine Schwan den Mangel an Ehrlichkeit und Solidarität in Europa.
Hier behauptet die deutsche Bundesregierung, dass die alle auf einem guten Weg waren und es nur an der linken Regierung lag, dass es niedergegangen ist. Das ist alles Unsinn! Es gibt eine Bereitschaft zur Unehrlichkeit, die mich wirklich empört und die ich in dieser drastischen Art noch nie erlebt habe. – Gesine Schwan
Müssen wir in der Krise mehr Europa wagen? Diese Frage hat detektor.fm-Moderatorin Constanze Müller der Sozialdemokratin Gesine Schwan gestellt. Sie ist Politikwissenschaftlerin und war Präsidentin der Europa-Universität Viadrina. Europa nennt sie „ihr Lebensthema“.
Redaktion: Sandro Schroeder