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So kann es nicht weitergehen, sagt die Europäische Union schon lange. Mit der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (2008/56/EG; MSRL) hat sie 2008 beschlossen, dass die Mitgliedsländer sich stärker dafür einsetzen müssen, Schutz und Nutzung der europäischen Meere in Einklang zu bringen. Dieses Ziel sollen die EU-Länder bis 2020 erreichen.
Schon seit vielen Jahren zeigen Untersuchungen, dass die deutschen Meere in keinem guten Zustand sind und außerdem weiteren Belastungen ausgesetzt werden. Das bestätigt auch die Rote Liste des Bundesamtes für Naturschutz, nach der 2014 in Nord- und Ostsee jede dritte Art als gefährdet gilt.
Ökosystem der Gewässer gestört
Laut dieser Studien sind unsere Meere enorm überdüngt. Durch ein übermäßiges Einleiten von Nährstoffen wird das Ökosystem schwerwiegend gestört. Verantwortlich ist dafür hauptsächlich die Landwirtschaft: Düngung und Pestizide aus dem konventionellen Anbau von Obst und Gemüse und aus der Massentierhaltung sind es nämlich, die den Gewässern besonders zu schaffen machen.
Dieser Dünger wird in die Flüsse gespült, durch die Luft transportiert und gelangt am Ende in die Meere. Eine direkte Folge dieser sogenannten Eutrophierung ist das starke Wachstum von Phytoplankton; das sind sehr kleine Algen. Durch sie wird das Wasser getrübt, so dass am Boden wachsende Pflanzenarten wie das Seegras absterben, weil sie nicht mehr ausreichend Licht bekommen. Seegraswiesen wiederrum sind Schutz und Nahrungsquelle für viele Wassertiere.
Schaden für Pflanzen, Tier und Mensch
Neben dem Verschwinden bestimmter Pflanzenarten sondern bestimmte Phytoplankton-Arten Giftstoffe ab, die Tieren und dem Menschen als Konsumenten schaden können.
Die Küstengewässer der Nord- und Ostsee gelten als so stark überdüngt, dass eine Erholung der Ökosysteme nur langsam vor sich gehen könne.
Schlimmer darfs nicht werden
Eine weitere Richtlinie der EU zur Verbesserung der Gewässerqualität ist die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Sie legt fest, dass bis Ende 2015 von der Quelle bis zur Küste ein guter Gewässerzustand hergestellt werden muss. Bereits seit dem Jahr 2000 darf laut dieser Richtlinie nichts mehr geschehen, was den Zustand der Flüsse und Seen weiter verschlechtert.
Trotzdem seien bislang die Vorgaben der WRRL noch nicht ausreichend umgesetzt worden, prangern Umweltverbände an. Mit Stand Oktober 2014 sollen über 60 Prozent der erforderlichen Maßnahmen gegen übermäßige Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft in Deutschland nicht ergriffen worden sein.
Belastetes Grundwasser
Das hat im Übrigen auch Auswirkungen auf das Grundwasser. Es ist häufig zu stark mit Nitrat belastet. Rund 50 Prozent aller Grundwasser-Messstellen in Deutschland zeigen eine erhöhte Nitrat-Konzentration von über 10 Milligramm pro Liter an. Trotzdem ist unser Trinkwasser fast allerorten unbelastet, obwohl es in Deutschland größtenteils aus Grundwasser hergestellt wird. Darum kümmern sich die Wasserversorger.
Die ökologische Situation der meisten Binnen- und Küstengewässer bleibe also kritisch, so dass die von der EU vorgegebenen Ziele für 2015 deutlich verfehlt würden, sagen Umweltorganisationen wie der BUND oder die Deutsche Umwelthilfe. Sie fordern ein verstärktes Engagement von der Politik. Dafür müssten die Bundes- und die Landesregierungen jedoch mehr Geld und Personal in den Gewässerschutz investieren.
Bundesregierung macht Vorschläge
Tatsächlich hat die Bundesregierung sich mit den Landesregierungen von Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Bremen und Hamburg zusammengesetzt und im März 2015 einen Maßnahmekatalog veröffentlicht, wie man die Gewässer besser schützen kann. So ist dort festgeschrieben, das zum Beispiel weniger Dünger in die Flüsse und in die Luft gelangen soll.
Zu unkonkret, sagen Naturschützer. Damit Nord- und Ostsee, Flüsse und Seen, aber auch das Grundwasser nicht noch stärker von der Überdüngung in Mitleidenschaft gezogen werden, schlagen Umweltverbände zum Beispiel vor:
- die Düngeverordnung ändern, damit Überdüngung in der Landwirtschaft nicht mehr legal ist
- breitere Gewässerrandstreifen, so dass in unmittelbarer Nähe von Gewässern kein Ackerbau betrieben wird
- die Förderung von geschlossenen Betriebskreisläufen, um die Überproduktion von Gülle zu vermeiden. Dazu wird das für die Tierhaltung benötigte Futter selbst angebaut und der Dung der Tiere dann wieder zum Düngen der Futterpflanzen verwendet
Über die Gefahr von Überdüngung und Pflanzenschutzmitteln für Gewässer hat detektor.fm-Moderatorin Teresa Nehm mit dem Meeresbiologen Dr. Onno Groß gesprochen. Er ist Gründer von Deepwave, einer Initiative zum Schutz der Hoch- und Tiefsee.
Redaktion: Insa van den Berg