Griechenland ist das Land, in dem die Demokratie ihre Wurzeln hat. Spätestens seit der Weltwirtschaftskrise sind sich griechische Regierung und Bevölkerung jedoch alles andere als einig.
Griechenlands eigentliche Krise
2001 wurde Griechenland in die Währungsunion aufgenommen. Zehn Jahre später war das Land mit 160 Prozent des eigenen Bruttoinlandproduktes verschuldet. Mit der aktuellen Finanzspritze von 3,8 Milliarden Euro soll die Kehrtwende kommen: das Comeback am Finanzmarkt, das Wieder-Anspringen der eigenen Konjunktur. Ein optimistischer Blick in die Zukunft, der eines außer Acht lässt: die sozial-politische Krise des Landes. Seit dem Wirtschaftseinbruch steigt die Arbeitslosenquote. Daran können auch die Rettungspakete der EU nichts ändern.
Arbeitslosigkeit führt zu Wut gegen die Regierung – und Europa
Erst im November vergangenen Jahres gab es einen neuen Rekord in Sachen Arbeitslosigkeit. Insbesondere junge Erwachsene sind davon betroffen: rund 61 Prozent von ihnen waren im November arbeitslos. Die Folge: die Griechen sind enttäuscht, fühlen sich nicht ernstgenommen. Das hat Auswirkungen auf die politische Einstellung der Wähler.
Seit den 1970er Jahren besteht in Griechenland ein Zwei-Parteien-System. Der konservativen Partei „Neues Demokratie“ steht die sozialistische „Pasok“ gegenüber – nun werden beide Parteien boykottiert. Das zumindest erlebt Jens Bastian: Der Wirtschaftsexperte ist seit mittlerweile 16 Jahren in Griechenland ansässig und befindet:
Viele Menschen haben die Defizite Griechenlands dadurch ausgedrückt, dass sie sich von Wahlen entfernen. – Jens Bastian
Extreme Parteien profitieren
Davon profitierten vor allem links- und rechtspopulistische Parteien. Die Wirtschaftskrise hat die Politisierung Griechenlands verstärkt; linke und rechte Parteien hätten es leicht, Zugewinne zu verzeichnen, erklärt Jens Bastian:
Man kann davon ausgehen, dass viele die Extreme wählen werden, weil sie schlichtweg die Nase voll haben. – Jens Bastian
Die bisher bei den Wählern erfolgreichste rechtsextreme Partei Griechenlands ist die „Goldene Morgenröte“. Die blieb auch laut einer Meinungsumfrage aus 2013 drittstärkste Partei. Damit ist jetzt Schluss. Und das liegt nicht nur an den Mordanschuldigen und Verstrickungen in kriminelle Machenschaften mehrerer Partei-Mitglieder. Der Grund ist ein anderer und nennt sich „To Potami“, zu deutsch „der Fluss“. Eine Partei, die der in Griechenland angesehene Journalist Stavros Theodorakis jüngst gründete – und die prompt zur drittstärksten Partei im Lande wurde.
Trend zurück zur Mitte?
Ein Trend zurück zur demokratischen Mitte? Das werde erst das Ergebnis der Europawahl zeigen können, betont Jens Bastian. Bis dahin hat der Journalist Stavros Theodorakis noch rund sechs Wochen Zeit. Festzuhalten sei bereits jetzt: die Bürger Griechenlands wollen keine Ein-Parteien-Regierungen mehr haben.
Koalitionsregierungen sind das Regierungs-Modell der Zukunft in Griechenland – Jens Bastian.
Über die Situation in Griechenland und die öffentliche Stimmung gegenüber Politikern und Parteien im Land sprechen wir mit Jens Bastian im Interview: