Auge um Auge, Zahn um Zahn. Das Säureattentat eines verschmähten Verehrers kostete die Iranerin Ameneh Bahrami 2004 ihr Augenlicht. Am Samstag sollte sie sich am Täter rächen dürfen – und auch ihm Säure in die Augen träufeln. Der Racheakt war bereits 2009 durch ein Gerichtsurteil legitimiert worden. Doch nun haben die iranischen Behörden die Vollstreckung auf unbestimmte Zeit verschoben – wohl nicht zuletzt wegen des immer stärker werdenden Drucks von außen. So hatte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International das Land im Vorfeld aufgefordert, die inhumane Strafe zu verhindern. Die Diskussion um den Fall Bahrami flammt so nach zwei Jahren erneut auf.
Der Fall ist nicht nur wegen seiner Dramatik besonders. Die Iranerin Bahrami hatte es im Vorfeld auch geschafft, eine Ungleichbehandlung der Frau zu überwinden. Säureanschläge auf Frauen im Iran kommen verhältnismäßig oft vor – bisher war es hier üblich, dass eine Frau, die ihr Augenlicht auf beiden Augen verloren hatte, dem Mann „nur“ ein Auge blenden durfte. Bahrami hatte durchgesetzt, ebenfalls beide Augen ihres Peinigers zu blenden. Und auch mehrfaches Bitten der Behörden, die Strafe in eine Haftstrafe abwandeln zu dürfen, lehnte sie ab: sie wolle künftige Säureattentäter abschrecken und so das Leid anderer Frauen verhindern.
{info_1} Wie stark ist die „Qisas“, die Vergeltung, im islamischen Recht noch verwurzelt? Wieso wird das islamische Recht vor Gericht noch so hart ausgelegt, während in weiten Teilen des Landes ein moderater Islam propagiert und gelebt wird?
Oder ist der Aufschrei der Empörung vielleicht unserem westlichen Rechtsverständnis geschuldet, welches wir reflexhaft über andere Rechtssysteme stellen?
Das haben wir Islamwissenschaftler Prof. Dr. Reinhard Schulze gefragt. Er ist Direktor des Instituts für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie an der Universität Bern – und fordert im Interview bei Menschenrechtsverletzungen auch auch ein Eingreifen des Westens.