Fakten schaffen
Ein eigener Staat für die Kurden auf irakischem Staatsgebiet? Ginge es nach Masud Barsani, Präsident der schon jetzt in Teilen autonomen Region Kurdistan, wäre der Weg frei. Denn am Montag gab es im Nordirak ein Referendum zur Unabhängigkeit der kurdischen Gebiete. Die Regierungen in Bagdad und Ankara lehnten das Referendum zwar schon im Vorfeld als unrechtmäßig ab, trotzdem stimmte eine überwältigende Mehrheit für ein unabhängiges Kurdistan. Dadurch erhielt der Präsident des autonomen Gebiets ein Mandat, um Verhandlungen mit der irakischen Regierung aufzunehmen.
Doch auch international hagelte es Kritik an der Abstimmung. Denn die einseitige Entscheidung destabilisiere die Region, heißt es. Außerdem endete Barsanis Amtszeit vor mehr als einem Jahr. Seitdem arbeitet das Parlament nicht. Kritiker unterstellen ihm Machtmissbrauch.
Das Referendum ist das legitime Mandat der Bevölkerung an die Regionalregierung, wenn möglich, Gespräche über eine mögliche Unabhängigkeit mit Bagdad zu führen. – Gülistan Gürbey, Politikwissenschaftlerin
Ein unabhängiges Kurdistan?
Schon im Voraus drohte der türkische Präsident Erdoğan mit einer Invasion der türkischen Armee. Denn ein unabhängiger Kurdenstaat könnte sich auch auf das Staatsgebiet der Türkei erstrecken. Auch die Regierung in Bagdad schließt ein militärisches Vorgehen gegen die Autonomieregion nicht aus. Daher sammeln sich an der nordirakischen Grenze zur Türkei bereits Streitkräfte. Seit Dienstag kommt es im Grenzgebiet zu gemeinsamen Übungen beider Staaten.
Die Drohungen Erdoğans könnten ernst zu nehmen sein. Denn schon im Nachbarland Syrien werden die Autonomiebestrebungen der Kurden mit Waffengewalt von Seiten Ankaras unterdrückt. Auch Iran droht mit Wirtschaftssanktionen und Grenzschließungen. Somit stehen Barsani und seine Kurden ziemlich allein da.
Über das Referendum und den Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden im Nordirak hat detektor.fm-Moderatorin Isabel Woop mit Gülistan Gürbey, Politikwissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin, gesprochen.
Redaktion. Joel lander