Öffentliche Hinrichtungen und Terror auf den Straßen. Das sind Szenarien, die zunächst an den Terror durch den selbsternannten „Islamischen Staat“ in Syrien erinnern. Doch sie stammen aus der libyschen Küstenstadt Sirte. Dort will die Terrormiliz nach eigener Aussage ihr zweites Kalifat errichten.
Schon vor einem Jahr haben sich erste IS-Truppen zunächst in der Stadt Darna versammelt. Mittlerweile hat sich die Zahl der IS-Mitglieder in Libyen vervielfacht: aus wenigen 200 sind bereits 2000 bis 3000 geworden.
Ein zerrissenes Land
Seit dem arabischen Frühling und dem Sturz des ehemaligen Machthabers Gaddafi herrscht in Libyen politisches Chaos. Zwei Parlamente beanspruchen die Regierung für sich, auf den Straßen kämpfen die rivalisierenden Truppen des Militärs. Die zivile Bevölkerung leidet unter den ständigen Kämpfen.
Ähnliche Muster wie in Syrien
Das Machtvakuum dort wird nun vom IS ausgenutzt. Begünstigt durch den Bürgerkrieg wird die Terrormiliz selten bekämpft und kann sich ausbreiten. Hinzu kommt, dass das politische Chaos eine Radikalisierung der Bevölkerung zur Folge hat und der „Islamische Staat“ so Zulauf findet.
Es gibt genug Nischen wo sich der IS einnisten kann. Es gibt auch eine Menge Anhänger von Gaddafi, die unzufrieden sind und sich jetzt mit den IS-Kämpfern verbündet haben. Sie erhoffen sich Chaos zu stiften und an die Macht zu kommen. – Julia Gerlach
Keine Einigung in Sicht?
Die Furcht wächst, dass Libyen zu einem Drehkreuz des Terrors in Nordafrika werden könnte. Die Nachbarländer, wie Tunesien, reagieren mit Grenzschließungen und auch in Europa steigt die Sorge. Immerhin ist die Stadt Sirte nur rund 500 km von Malta entfernt.
Die Vereinten Nationen drängen daher auf eine Einigung zwischen Tripolis und Tobruk, denn dort sitzen die beiden verfeindeten Regierungen. Denn ein effektiver Kampf gegen den erstarkenden IS scheint nur möglich, wenn der Krieg unter den nationalen Milizen aufhört.
Es gibt Optimisten unter den Libyern, die sagen, dass die Erstarkung des IS auch was Positives mitbringt. Ein Moment, wo sich die beiden verfeindeten Seiten zusammentun müssen. Das könnte dazu führen, dass Libyen sich wieder eint. – Julia Gerlach
Über die politische Lage in Libyen und wie hoch die Chancen sind, dass der IS sich in Libyen weiter festsetzt, hat detektor.fm-Moderatorin Astrid Wulf mit der Journalistin und Autorin Julia Gerlach gesprochen.
Redaktion: Johanna Sprenger