Fast 60 Prozent der Bevölkerung hat sich an der Parlamentswahl in Hongkong beteiligt. Das ist ein neuer Rekord für die südchinesische Sonderverwaltungszone und zeigt: Hongkong ist aufgewühlt und politisiert.
Es geht um die Zukunft der Stadt und um die Frage: Soll Hongkong unabhängiger von China werden? Bislang hat es zwei Lager in Hongkongs Politik gegeben. Auf der einen Seite die China-Anhänger, auf der anderen die China-Kritiker und Demokratie-Befürworter. Niemals ist es aber jemandem in den Sinn gekommen, die Hoheit Chinas offen anzuzweifeln.
Parlamentswahl im Zeichen der „Regenschirmbewegung“
Bis zum Jahr 2014. Damals entstand die Regenschirmbewegung, die wochenlang lautstark für mehr Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung demonstrierte. Sie bestand vor allem aus jungen, gut ausgebildeten Menschen, die sich von China bevormundet fühlten. Doch die selbst ernannte „Revolution“ scheiterte. Keine der Forderungen nach mehr Selbstbestimmung wurde erfüllt.
Also nahmen die Anführer und Organisatoren des Umbrella Movement einen zweiten Anlauf. Sie gründeten Parteien und stellten Kandidaten für die kommende Wahl auf. China fuhr deswegen im Vorfeld große Geschütze auf, filterte die Kandidaten und ließ ausschließlich „geprüfte“ Politiker zur Wahl zu.
Zudem wurden nur 40 der 70 Parlamentsabgeordneten durch die Wahlen bestimmt. Die restlichen 30 erhielten ihren Platz durch Hongkonger Interessengruppen, zusammengesetzt aus Repräsentanten verschiedener Berufszweige und gesellschaftlicher Schichten.
China: Partner und Vormund
Umso überraschender war deswegen das Ergebnis der Wahl. Trotz der Vorsichtsmaßnahmen schafften es vier radikale, junge Kämpfer für mehr Selbstbestimmung in das Parlament. Sie werden von nun an das etablierte, pro-demokratische Lager aufmischen.
Pro-Peking-Lager behält die Mehrheit. #LegCo #Wahlen in #Hongkong #MericsChinaFlashhttps://t.co/zE8jD6Acpz pic.twitter.com/RZaVH0csh4
— merics (@merics_de) 6. September 2016
Doch nicht alle Einwohner der Sieben-Millionen-Stadt unterstützen die Unabhängigkeitsbewegung. Vor allem alte Menschen und die Wirtschaftsvertreter würden den Status Quo in Hongkong gerne erhalten. Als Brückenkopf der freien Welt zu China profitiert Hongkong wirtschaftlich enorm von seinem Sonderstatus.
China würde sich mit einer Schwächung von Hongkong als Finanz- und Wirtschaftsstandort selber Schaden. – Matthias Stepan, Mercator Institut für China Studien
Außerdem ist Hongkong eng an das chinesische Festland gebunden und erhält einen Großteil seiner Lebensmittel- und Energieversorgung von dort.
Über die Auswirkungen der Parlamentswahl auf die Beziehung zwischen Hongkong und China hat detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt mit Matthias Stepan gesprochen. Er ist Leiter des Programms Innenpolitik am Mercator Institut für China Studien in Berlin.
Redaktion: Jonathan Gruber