Aktualisiert am 26. Oktober, 18 Uhr.
Polen steht vor einem Politikwechsel. Denn die nationalkonservative Partei des ehemaligen Premierministers Jaroslaw Kaczynski wird vermutlich ohne Partner regieren. Die liberal-konservative Partei „Bürgerplattform“ hat das Land seit 2007 regiert. Erst mit Premierminister Donald Tusk, der 2014 Präsident des Europäischen Rates wurde, seitdem mit Premierministerin Ewa Kopacz. In dieser Zeit hat das Land einen beachtlichen Aufschwung hingelegt. Sichtbar wird die Entwicklung zum Beispiel in Breslau, wo das Universitätsviertel mit modernen Glas-Beton-Bauten glänzt.
Der Polen-Korrespondent Alexander Hertel kommentiert die Wahl vom Wochenende.
„Es war eine klassische Denkzettelwahl. Es war ein Denkzettel an die bis dato regierende Bürgerplattform von Premierministerin Eva Kopacz, aber auch eine Protestnote an Europa.
Die Polen waren unzufrieden mit ihrer Regierung, trotz aller wirtschaftlichen Erfolge. Das riesige Wirtschaftswachstum des vergangenen Jahrzehnts kommt schlicht nicht bei allen an. Arme, Arbeitslose, Arbeiter, aber auch Studenten, Gewerkschafter und Auslandspolen: Sie alle spüren die Ungleichverteilung des neuen Wohlstands. Die PiS versprach, das zu ändern. Und die Polen glauben ihr. Sie verspricht auch eine Senkung des Rentenalters, einen Mindestlohn, mehr Sozialhilfe und Kindergeld. Ob sie ihre Versprechen halten kann, ist fraglich. Dass die PO das kann, glaubten die Wähler aber nicht mehr. Der Abhörskandal im vergangenen Jahr leitete das Ende ihrer Regierungszeit ein, zwei blutleere Wahlkämpfe gaben die Libeeral-konservativen Regierung den Rest.
Zwischen 2005 und 2007 regierte die PiS schon einmal Polen. Innen jagte sie fortan Kommunisten, außen trieb sie die EU und Deutschland mit populistisch-nationalistischen Tiraden vor sich her. In Europa hat man das nicht vergessen. Dass die Polen trotzdem wieder auf die PiS und ihren nationalistischen, christlich fundamentalistischen, rassistischen und homophoben Einpeitscher Jaroslaw Kaczynski setzt, wirkt wie eine gewollte Provokation. Die Trotzreaktion eines frustrierten Teenagers. Die Polen wollen als Erwachsener wahrgenommen werden, als gleichberechtigter Partner: In Europa mitbestimmen, in der die Ukrainekrise mitverhandeln, Flüchtlingsquoten selbst festlegen. In den Augen der Polen verweigert Europa ihnen diese Partnerschaft, also schalten sie auf Trotz. Polen müsse sich auf sich selbst verlassen, war eine häufig gehörte Botschaft von PiS-Politikern. Das ist so falsch wie gefährlich. Polen braucht Europa. Und Europa braucht Polen.
Polen hat gewählt, es hat protestiert und es hat getrotzt. Jetzt liegt es an der PiS zu zeigen, dass die Partei und ihre Wähler für mehr stehen, als Sozialromantik und Nationalismus.“
Acht Jahre Aufschwung in Polen
Doch nicht nur optisch, sondern auch anhand von messbaren Kenngrößen ist die wirtschaftlich gute Lage in Polen zu erkennen. Die Inflationsrate ist seit 2007 von etwa fünf Prozent auf mittlerweile unter null gesunken. Das Bruttoinlandsprodukt ist sogar während der Wirtschaftskrise jedes Jahr um 1,3 bis 4,8 Pozent gestiegen.
Die Unterschiede bleiben aber regional sehr groß, das drückt sich insbesondere in der Arbeitslosenquote aus: Große Städte wie Warschau, Krakau und Breslau haben kaum Arbeitlose, dafür gibt es im ländlichen Raum im Norden und im Südosten des Landes mehr als 20 bis 35 Prozent Arbeitslosigkeit.
Rückkehr der Nationalkonservativen?
Nun löst die PiS nach acht Jahren die liberal-konservative Bürgerplattform PO ab. Die PiS verspricht intern Sozialromantik, nach außen Härte.
Welche Themen und Parteien im polnischen Wahlkampf wichtig sind, darüber hat detektor.fm-Moderatorin Constanze Müller mit dem Polen-Korrespondenten Alexander Hertel in Warschau im Vorfeld der Wahl gesprochen.
Redaktion: Caroline Bauer