Seit den Parlamentswahlen im Dezember 2015 ist Spanien ohne gewählte Regierung. Die Parteien haben sich in sechs Monaten auf keine regierungsfähige Koalition einigen können. Bei den Neuwahlen hat es wenig Überraschungen gegeben, denn die Ergebnisse zeichnen ein ähnliches Bild wie im Vorjahr.
Im Grunde hat sich schon etwas verändert, denn die Mehrheitsverhältnisse sind klarer als zuvor. Die Konservativen haben 14 Sitze mehr gewonnen. Gleichzeitig war die Wahlbeteiligung niedriger, weil die spanische Bevölkerung vom ganzen Politikspektakel müde ist. – Susanne Gratius, Politikwissenschaftlerin
Konservative weiter ohne absolute Mehrheit
Auch wenn die konservative Partido Popular um Ministerpräsident Mariano Rajoy als Sieger der Wahl hervorgegangen ist, hat sie wieder keine absolute Mehrheit erlangen können. Folglich können sie ohne Koalitionspartner nicht regieren.
Politisch käme dafür am ehesten die rechtsliberale und wirtschaftspolitisch ähnlich ausgerichtete Ciudadanos-Partei in Frage. Doch auch mit ihnen würden die Partido Popular nicht die notwendigen Mandate erreichen.
Große Koalition auch in Spanien?
Ein Novum für Spanien wäre eine große Koalition zwischen den Konservativen und den Sozialisten der PSOE (Partido Socialista Obrero Español) – der zweitstärksten Kraft im Land. Beide Lager haben sich in den letzten Jahren der politischen Mitte angenähert. Ein Bündnis zwischen ihnen könnte für innenpolitische Stabilität und dringend notwendige Strukturreformen sorgen. Spanien hat seit geraumer Zeit mit Defiziten im Staatshaushalt zu kämpfen und der Druck seitens der EU steigt.
Bisher ist die PSOE jedoch nicht bereit, ein Bündnis mit der Partido Popular unter der Führung Rajoys einzugehen, vielmehr fordern sie seinen Rücktritt. Rajoy hat dennoch erste Koalitionsgespräche mit den Sozialisten angekündigt.
Podemos ist der große Verlierer
Entgegen den Prognosen und Umfragen vor der Wahl, konnte der Wahlblock des linksalternativen Bündnisses Podemos weniger Wähler mobilisieren, als erhofft. Sie scheiterten an dem selbst gesetzten Ziel, die Sozialisten zu überholen, und wurden letztendlich nur drittstärkste Kraft. Ein erster Dämpfer für die seit 2014 rasant aufgestiegene Partei. Ein linkes Regierungsbündnis ist demnach ebenfalls unwahrscheinlich.
Was nicht eingetreten ist, ist der Zulauf für Podemos. Sie haben sich verkalkuliert. Sie sind auf dem selben Stand geblieben und zählen zu den Wahlverlierern. – Susanne Gratius
Über die Stimmung vor Ort und mögliche politische Entwicklungen nach der Wahl hat detektor.fm-Moderatorin Astrid Wulf mit Susanne Gratius gesprochen. Sie ist Professorin für Politikwissenschaft an der Autonomen Universität in Madrid.