Erst der Präsident, dann das Parlament
Die Parlamentswahlen spielen in Frankreich eine wichtige Rolle, denn das Parlament beschließt Gesetze und überwacht die Regierungsarbeit. Bei der Parlamentswahl entscheidet sich, ob der gewählte Präsident genügend Unterstützung vom Parlament bekommt, um seine Vorhaben und Pläne durchzusetzen.
577 Abgeordnete werden bei der Parlamentswahl in Frankreich gewählt. Im ersten Wahlgang kommen die Kandidaten, die eine absolute Mehrheit haben, direkt ins Parlament. Alle Kandidaten, die mindestens 12,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, ziehen in die Stichwahl ein, die eine Woche später stattfindet. Hier wird dann nach relativer Mehrheit gewählt. Wer die meisten Stimmen in seinem Wahlkreis hat, bekommt einen Sitz im Parlament.
Normalerweise bekommt die Partei, aus der der Präsident kommt, auch die Mehrheit. Deshalb wurde 2002 die Amtszeit des Präsidenten von sieben auf fünf Jahre heruntergesetzt. Damit findet die Präsidentschaftswahl immer kurz vor den Parlamentswahlen statt.
Parlamentswahlen: Sieg für die einen …
Dieses Jahr kamen von vielen Seiten Bedenken, ob Emmanuel Macron genug Unterstützung vom Parlament bekommen wird, um seine Ziele durchzusetzen. Diese Bedenken wurde aber bereits im ersten Wahlgang aufgelöst. Es ist nun eher das Gegenteil der Fall: Macron könnte der erste Präsident werden, der so viel Macht bekommt wie einst Charles de Gaulle.
Für die Umsetzung von Macrons Plänen ist das Ergebnis der Parlamentswahl natürlich ein großer Schritt nach vorne. Für die Wirtschafts- und Bildungsreformen scheint er jetzt die nötige Rückendeckung zu erlangen. Ob die Pläne wie versprochen umgesetzt werden, wird die Zeit zeigen.
Es ist ein Erdrutsch-Sieg für die neue Bewegung und für den Präsidenten Macron. – Dr. Stefan Seidendorf, stellvertretender Direktor des Deutsch-Französischen Instituts Ludwigsburg
… Verluste für die anderen
Mit einem Ergebnis von über 32 Prozent ist die Parlamentswahl für die erst seit einem Jahr bestehende Partei „La République en Marche“ ein voller Erfolg. Die etablierten Parteien mussten dagegen ein denkbar schlechtes Ergebnis hinnehmen: Die Sozialisten erreichten nicht einmal zehn Prozent. Die Konservativen brachten es auf knapp 22 Prozent, liegen damit aber immer noch zehn Prozent hinter der führenden Partei Macrons.
Die Hoffnungen, die die Rechtspopulisten um Marine Le Pen in die Parlamentswahlen gesetzt hatten, haben sich ebenfalls zerschlagen. Im ersten Wahlgang erreichte die Partei „Front Nationale“ 13 Prozent. Auffallend bei dieser Wahl ist auch, dass es eine erstaunlich niedrige Wahlbeteilung gab. Sie lag unter 50 Prozent. Das gab es zum letzten Mal 1958.
Dr. Stefan Seidendorf ist stellvertretender Direktor des Deutsch-Französischen Instituts Ludwigsburg. Er hat detektor.fm-Moderatorin Marie Landes erklärt, wieso es in Frankreich so einen politischen Wandel gibt und ob der das Aus für das alte Parteiensystem bedeutet.
Redaktion: Laura Pientka