Der NSA-Untersuchungsausschuss der Bundesregierung erhält keine Informationen über die Suchparameter der Analyseprogramme der NSA. Diese werden auch vom BND und dem Bundesverfassungschutz genutzt. Das ist zumindest das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Zu dem Verfahren ist es gekommen, weil Politiker der Linken und von Bündnis 90/Grüne 2013 der Ansicht waren, dass die Bundesregierung und der Chef des Bundeskanzleramtes durch die Ablehnung der Herausgabe von Selektoren-Listen gegen das Beweiserhebungsrecht des Bundestages (Art. 44 GG) verstoßen haben.
Zuvor ist durch Medienberichte bekannt geworden, dass der BND gemeinsam mit der US-amerikanischen NSA eine Kooperation zur „Fernmeldeaufklärung“ eingegangen ist. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit hat der BND Daten durchsucht, die von der NSA nach bestimmten Merkmalen gefiltert wurden, den sogenannten Selektoren.
Außerdem ist damals bekannt geworden, dass EU-Vertretungen und deutsche Politiker und Beamte durch NSA-Programme ausgespäht worden sind. Dazu hatten auch der Bundesnachrichtendienst und der Bundesverfassungsschutz Zugang. Daraufhin wurde im Bundestag ein Untersuchungsausschuss gegründet, deren Mitglieder klären sollen, ob die Bundesregierung von diesen Spionage-Fällen wusste und ob die in Deutschland verwendeten Programme illegal sind. Zwar hat die Bundesregierung Beweise und Informationen ausgehändigt, allerdings wurden aus „Sicherheitsgründen“ keine Selektoren-Listen ausgehändigt.
Selektoren der Geheimdienste – eine kurze Erklärung:
Der große Bruder darf Alles, der mittlere darf ein bisschen und die kleinen Brüder sollen möglichst wehrlos sein. – Peter Pilz, Die Grünen (Österreich)
Selektoren-Listen sind keine Informationen
Ein Selektor ist ein festgelegtes Suchmerkmal in Kommunikationskanälen. Mithilfe von Selektoren filtern die Überwachungs-Programme der Geheimdienste die Datenströme im Netz nach relevanten Informationen. Ganze Listen solcher Selektoren schicken sich deutsche und amerikanische Geheimdienste hin und her – sprich: Das Gesuch, die Daten im Netz nach den gerade gewünschten Informationen zu filtern.
Welche Informationen die US-Geheimdienste in Deutschland genau abgefischt haben, also welche Selektoren sie bestellt haben, das will der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages wissen. Darf er aber nicht, sagt das Bundesverfassungsgericht:
Zwar umfasst das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses dem Grunde nach auch die NSA-Selektorenlisten. Die Selektorenlisten berühren aber zugleich Geheimhaltungsinteressen der Vereinigten Staaten von Amerika und unterliegen deshalb nicht der ausschließlichen Verfügungsbefugnis der Bundesregierung. Eine Herausgabe […] würde die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der deutschen Nachrichtendienste […] erheblich beeinträchtigen. Das Geheimhaltungsinteresse der Regierung überwiegt insoweit das parlamentarische Informationsinteresse […]. – Auszug aus der Stellungnahme des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts
Klagen wegen Wirtschafts- und Politikspionage
Bereits seit 2015 sind deutsche Beamte und Mitarbeiter des BND, aber auch der Telekom angezeigt worden. Gezielt sollen wirtschaftliche Betriebe, Politiker, aber auch ganze Staaten ausgehorcht worden sein. Nicht alle Betroffenen warten dabei die Arbeit des Untersuchungsausschusses ab. Politiker in den Niederlanden, Belgien und Österreich wehren sich gegen die Spionageaktivitäten des Bundesnachrichtendienstes und seiner Helfer.
Einer der Mitkläger ist Peter Pilz. Der österreichische Politiker sitzt für die Partei die Grünen im Nationalrat und ist außerdem Sicherheitspolitischer Sprecher seiner Partei. Er hat im vergangenen Jahr einen Beamten des BND und mehrere Mitarbeiter der Telekom angezeigt. Für ihn ist die Bandbreite des Abhörskandals untragbar geworden:
Liebe BRD-Regierung, es gibt nicht nur ein Handy, das schützenswert ist – und wenn das Frau Merkel nicht glaubt, dann werden wir ihr das klarmachen. – Peter Pilz
Pilz versucht seit einem Jahr das Netzwerk des BNDs und der NSA nachzuzeichnen. Durch ihm vorliegende Mails und Unterlagen ist er unter anderem auf Verbindungen zwischen Telekom- und BND-Mitarbeitern gestoßen, die Informationen ausgetauscht haben sollen. Unter anderem wurden internationale Glasfaserverbindungen kenntlich gemacht, die unter anderem das Abhören von Gesprächen und Informationen aus Russland oder Türkei möglich machen.
Im Gespräch mit detektor.fm-Moderatorin Anna Corves hat Peter Pilz über die Folgen des Urteils am Bundesverfassungsgericht gesprochen.