Startschuss von „aufstehen“
Seit der letzten Bundestagswahl haben sich durch den Einzug der AfD in den Bundestag die Mehrheiten verschoben. Seitdem fordert unter anderem die Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke, Sarah Wagenknecht, eine aus dem linken Parteienspektrum erwachsene Sammlungsbewegung. Doch was hat sich seitdem getan?
Am 04. September hat die Sammlungsbewegung „aufstehen“ ihr politisches Programm in der Bundespressekonferenz vorgestellt. Wie ist die Sammlungsbewegung einzuordnen? Was sagen Unterstützer, Wissenschaftlern und Kritiker?
Was ist eigentlich eine Bewegung?
„aufstehen“ bezeichnet sich selbst als Bewegung. Dabei denkt man vielleicht beim Wort Bewegung erstmal an die Umweltbewegung, spontane Demonstrationen und Impulse von „unten“. Doch in den letzten Jahren bezeichnen sich europaweit immer mehr politische Projekte als Bewegung.
Bei vielen von diesen elektoralen Projekten, die als Bewegung bezeichnet werden, aber auf Wahlen ausgerichtet sind, ist nicht viel her mit der Beteiligung von unten.– Simon Teune, Institut für Protest- und Bewegungsforschung
Was eigentlich eine Soziale Bewegung ausmacht und ob „aufstehen“ als solche verstanden werden kann, erklärt Bewegungsforscher Simon Teune detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt. Er ist Vorsitzende des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung in Berlin.
Wer steht hier eigentlich auf?
Zu den Unterstützern gehören auch Sevim Dagdelen, Steve Hudson und Sabine Zimmermann. „aufstehen“ soll einerseits die „Ausschließeritis“ innerhalb der Linken beenden und Unzufriedene aus dem linken Parteienspektrum ansprechen. Andererseits soll „aufstehen“ auch Nichtwähler für ein linkes Projekt mobilisieren.
Wir wollen jeden gewinnen, der die Politik in Deutschland verändern möchte und für diese gesellschaftliche Mehrheiten kämpfen wir, dass sie endlich politische Mehrheiten sind. – Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete für „Die Linke“
Erklärtes Ziel ist es auch, an die AfD verlorene Wähler zurückzugewinnen. Dafür will man mit sozialen Themen punkten. Ist „aufstehen“ also Sammel- oder Rückholbecken? Manche Stimmen innerhalb der Initiative äußern sich insbesondere zum Thema Migration scharf und erhalten dafür viel Kritik, auch aus den eigenen Reihen.
Wie sollen zukünftig mehr Menschen miteinbezogen werden, wo grenzt sich das Projekt von anderen linken Stimmen ab und was sagen die Unterstützerinnen und Unterstützer? Darüber hat sich detektor.fm-Moderatorin Eva Morlang mit Redakteurin Nora Auerbach unterhalten.
Migrationskritische Linke
Für mehr Rechte für gesellschaftlich marginalisierte Gruppen setzten sich unterschiedliche Menschen in zahlreichen Initiativen ein. Der Startschuss von „aufstehen“ wird als ambivalent wahrgenommen. Einerseits wird das Agenda-Setting von linken Themen begrüßt. Andererseits wird das Projekt als autoritär und und zu national ausgerichtet wahrgenommen.
Das ist ein Projekt, das nicht dazu beiträgt, Menschen zu ermächtigen, sondern in erster Linie ein Versprechen macht, es wird sich nur etwas ändern, wenn ihr die große Vorsitzende der Bewegung unterstützt. – Mario Neumann, Aktivist
Dabei sind breite Bündnisse in linken Bewegungen nicht neu. Einer, der sich damit auskennt ist Mario Neumann. Er ist selbst Aktivist und kritisiert das Projekt für seinen migrationsskeptischen und linkspopulistischen Kurs, wie er im Gespräch mit detektor.fm-Moderatorin Isabel Woop erklärt.
Populistisch oder populär?
Kritisiert wird „aufstehen“ auch als linkspopulistisch. Je nachdem, welches Verständnis des Begriffs zugrunde liegt, zeichnet sich Populismus durch einen Sprachstil oder durch ein bestimmtes Politikverständnis aus.
Zum Populismus gehört die Vorstellung, dass das normative Gute, die Weisheit, die politische Klugheit und das politisch Erstrebenswerte, dass das in „dem unten“ in der Masse und in der Mehrheit wurzelt. Dass also das Volk eigentlich die Wahrheit kennt und nur betrogen wird von „denen da oben“. – Felix Butzlaff,Wirtschaftsuniversität Wien
Doch Rechts- und Linkspopulisten unterscheiden sich in der Definition des „unten“ und „oben“ sagt Felix Butzlaff. Er forscht zu Bürgerprotesten und Populismus und hat mit detektor.fm-Moderator Christian Erll gesprocheln.
Redaktion: Nora Auerbach