Erster Feinstaub-Alarm Deutschlands
Stuttgart hat als erste deutsche Großstadt den sogenannten Feinstaub-Alarm ausgelöst. Jetzt sind Berufspendler und Besucher in Stuttgart aufgefordert, auf die öffentlichen Verkehrsmittel umzusteigen, Fahrrad zu fahren oder Fahrgemeinschaften zu bilden.
Der EU-Grenzwert liegt bei 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft und den überschreitet Stuttgart immer wieder. Jetzt setzt die Stadtverwaltung auf das Verantwortungsbewusstsein der Bürger: die sollen zeitweise freiwillig aufs Auto verzichten. Umweltschützer sagen, das reicht nicht, und fordern rechtlich bindende Fahrverbote.
Unsichtbare Gefahr
Als Feinstaub werden winzigste Partikel in der Luft bezeichnet, die aufgrund ihrer geringen Größe leicht eingeatmet werden können. Setzen sich diese Partikel in der Lunge fest, stellen sie eine große Gefahr für Gesundheit dar. Sie können Bronchitis und Asthma begünstigen und im schlimmsten Fall sogar in den Blutkreislauf gelangen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle drohen dann.
Die Grenzwerte für die Feinstaubbelastung sind von der EU festgeschrieben und dürfen pro Jahr an maximal 35 Tagen auftreten. In Stuttgart wurde der Wert allein im Jahr 2015 an über 70 Tagen überschritten.
Stadt setzt auf Vernunft
Die Stadt Stuttgart hat noch im Jahr 2015 die Möglichkeit eines Feinstaub-Alarms beschlossen. Was sich zunächst wie eine gefährliche Warnung mit strikten Konsequenzen anhört, entpuppt sich beim näheren Hinsehen aber als gut gemeinter Appell. Die Stuttgarter sollen ihre Autos stehen lassen und Holzöfen, die lediglich als zusätzliche Wärmequelle dienen, nicht nutzen. Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) empfiehlt, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, Fahrgemeinschaften zu bilden oder mit dem Rad zu fahren. Die Stadt hat zudem auf Hinweistafeln, über Verkehrsmeldungen und via Internet über den Feinstaub-Alarm informiert.
Das alte Bild
Nach ersten Beobachtungen hat sich das Fahrverhalten der Stuttgarter aber nicht geändert. Die meisten Menschen sind auch weiterhin mit dem Auto in der Stadt unterwegs. Auch die eigens eingerichtete Straßenbahn-Sonderlinie U11 wird von den Stuttgartern nur wenig genutzt.
Umweltschützer und Feinstaub-Skeptiker machen die gängige Messpraxis für dieses Verhalten verantwortlich. Denn nach ihren Aussagen beruht der Feinstaub-Alarm auf rein spekulativen Annahmen. Der Alarm wird ausgelöst, sobald der Deutsche Wetterdienst eine Inversionswetterlage für das Stadtgebiet prognostiziert. In Stuttgart finden aber keine tagesaktuellen Feinstaub-Messungen statt, sodass die tatsächliche Belastung nicht erfasst, sondern lediglich vermutet werden kann.
Saubere Luft – und zwar sofort?
Die natürlichen Gegebenheiten in Stuttgart lassen sich nicht ändern. Die Kessellage der Stadt begünstigt die Inversionswetterlagen. Auch dadurch ist Stuttgart die Stadt in Deutschland mit der höchsten Feinstaubbelastung. Kritiker fordern nun generelle Fahrverbote: etwas, das bereits in vielen anderen europäischen Städten zu Erfolgen geführt hat.
Auch in Paris dürfen an Feinstaub belasteten Tagen nur 50% der Autofahrer in die Stadt fahren. Der ÖPNV ist umsonst und auch der Fahrradverleih ist umsonst. – Manfred Niess, Koordinator für Umwelt beim Klima- und Umweltbündnis Stuttgart
Derzeit sind für Stuttgart aber keine Fahrverbote geplant. Autofahrer müssen bisher auch keine Strafen befürchten. Gelingt es jedoch nicht, die Grenzwerte durch den Feinstaub-Alarm zu reduzieren, will die Stadtverwaltung ab 2018 verbindliche Regelungen einführen. Die Einfahrt für bestimmte Fahrzeuge in das Stadtgebiet könnte dann untersagt werden.
detektor.fm-Moderator Konrad Spremberg hat mit Manfred Niess über den Feinstaub-Alarm in Stuttgart gesprochen. Niess ist Koordinator für Umwelt beim Klima- und Umweltbündnis Stuttgart.
Redaktion: Matthias Stiebing