Kaum größer als Hannover, 149 Banken, ein Pro-Kopf-Einkommen von über 85.000€ im Jahr : Luxemburg ist ein Land voller Gegensätze. Einen großen Teil des Reichtums verdankt das Großherzogtum internationalen Konzernen, die ihre Gewinne in das Land schleusen. Die Steuern liegen dank individueller Absprachen teils bei weniger als einem Prozent.
Behörden und Steuerberatungsfirmen auf Tuchfühlung
Die Beratungsfirma Pricewaterhouse-Cooper (PwC) wirbt auf ihrer Website mit Sätzen wie:
Gestaltungspotenzial bei der Steuerplanung
Steuerplanerisch werden in diesem Zusammenhang diverse Techniken genutzt, wie etwa sogenannte hybride Finanzierungen, die grenzüberschreitende Qualifizierungskonflikte ausnutzen oder der Einsatz von Konzernfinanzierungsgesellschaften im niedrigbesteuernden Ausland.
Die Möglichkeit der „Konzernfinanzierungsgesellschaften im niedrigbesteuernden Ausland“ haben Firmen wie Coca Cola, Amazon, Ikea oder iTunes genutzt. PwC arbeitete dabei komplizierte Steuermodelle aus, die dann mit dem Luxemburger Beamten Marius Kohl abgesprochen und teils noch am selben Tag von ihm abgesegnet wurden. Das Untenehmen macht sich damit die Tatsache zunutze, dass den Behörden Zeit, Geld und Personal fehlt, um die Modelle völlig zu verstehen. So muss der Paketdienst FedEx auf die nach Luxemburg überführten Gewinne zum Beispiel weniger als 0,1 Prozent Steuern zahlen.
Juncker im Dilemma
Der ehemalige Finanz- und Premierminister Luxemburgs, Jean-Claude-Juncker steht nun unter enormem Druck. Erst seit knapp einer Woche ist er Präsident der EU-Kommission – der Institution, die bereits wegen unerlaubter staatlicher Beihilfe gegen Luxemburg ermittelt. So soll das Land in Zeiten, als Juncker Finanzminister und später Premierminister des Landes war, einzelnen Unternehmen mit Steuervorentscheidungen Vorteile verschafft und so gegen EU-Recht verstoßen haben. Die Luxemburger Behörden wollen die Dokumente zu den Fällen aber nicht an die EU-Kommission weiterleiten.
Patriotisch, doch auch in Europa?
Juncker war in seinen 24 Jahren in der Luxemburger Politik maßgeblich für den wirtschaftlichen Aufstieg Luxemburgs verantwortlich. Er gilt als einer der Architekten des Steuersystems, beschloss aber gleichzeitig als Vorsitzender der Euro-Gruppe neue Steuer- und Unternehmensgesetze. Ob Juncker die Verantwortung übernehmen muss, darüber haben wir mit Cerstin Gammelin gesprochen. Sie ist EU-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung.