Strafverfahren gegen Ungarn kann anlaufen
In Straßburg hat heute das Europäische Parlament mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit für ein Strafverfahren gegen Ungarn gestimmt. Die rechtsnationale Regierung, angeführt von Ministerpräsident Viktor Orbán, habe gegen die demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien der EU verstoßen. Die strikteste Sanktion dafür wäre ein Entzug der Stimmrechte im Ministerrat. Grund für die Abstimmung war ein kritischer Bericht der Grünen-Abgeordneten Judith Sargentini, welcher der ungarischen Regierung eine „systematische Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte“ vorwirft.
Instrumentalisierung der Sanktionen
Orbán hatte den Bericht und das Verfahren bereits vor der Abstimmung scharf kritisiert. „Die Ehre Ungarns und des ungarischen Volkes“ würden dabei verletzt. Der ungarische Regierungschef hat sich zum Ausgang der Abstimmung noch nicht geäußert. Die Befürchtung ist, dass EU-Kritiker in Ungarn die Sanktionen für ihre Zwecke instrumentalisieren könnten. Besonders, da die Medien in Ungarn fest in regierungstreuer Hand liegen.
Die Berichte sind daher mehrheitlich sehr kritisch. Sie sehen das so, als ob Ungarn wirklich angegriffen worden wäre, und übernehmen eins zu eins die Rhetorik der Regierung. – Dóra Diseri, Korrespondentin des Netzwerks für Osteuropa-Berichterstattung
Die „europäische Idee“ in Ungarn?
Im Gegensatz dazu sei die Stimmung in der Bevölkerung Ungarns eher europafreundlich. Schließlich spüre man auch dort die Vorteile der Europäischen Union wie das freie Reisen und Arbeiten spüren, so die ungarische Journalistin Dóra Deseri. Da auch die Regierung stark von der EU profitiere, hält sie einen Austritt für unwahrscheinlich:
Die Regierungspartei Fidesz möchte nicht mal die EVP-Fraktion verlassen, das hat der Außenminister heute gesagt. Sie haben überhaupt nicht vor, irgendwelche Maßnahmen gegen die Europäische Union einzuleiten. – Dóra Diseri
Über das Strafverfahren gegen Ungarn und die Wahrnehmung von Medien und Bevölkerung hat detektor.fm-Moderator Christian Eichler mit Dóra Diseri vom Netzwerk für Osteuropa-Berichterstattung (n-ost) gesprochen.
Redaktion: Valérie Eiseler