Der Konflikt zwischen Schiiten und Suniten im Irak könnte zum endgültigen Zusammenbruch einer alten Ordnung führen: der Sykes-Picot-Ordnung. Mit dieser Vereinbarung wurden die Grenzen des Irak und der Arabischen Welt nach dem Ersten Weltkrieg von den Briten und Franzosen künstlich neu gezogen. Vor allem die Briten betrieben im Osmanischen Reich eine auf ihr Empire ausgerichtete Machtpolitik, ohne Rücksicht auf die dort lebende Bevölkerung. Im Vordergrund stand stets eine politisch starke Position gegenüber dem Deutschen Reich, mit dem man damals im Krieg stand.
Staatenaufteilung als Machtspiel
Durch das Abkommen erhielt Großbritannien den Zugriff auf die Gebiete der heutigen Staaten Jordanien, Irak sowie von Teilen Israels. Syrien und der Libanon fielen Frankreich zu – und der spätere gegründete Staat Israel wurde unter internationale Verwaltung gestellt.
Konflikte im Nahen Osten
Die willkürliche Trennung von Regionen und Ethnien führt bis heute zu Konflikten. Sunniten, Schiiten, Christen, Griechisch-Orthodoxe oder Kurden – alle versuchen bis heute, ihren Platz im Nahen Osten zu finden. Dabei sind die Konflikte dieser Gruppen nicht staatlich geprägt, sondern basieren in der Regel auf Kontroversen zwischen verschiedenen Ethnien und Religionen – genau wie zur Zeit auch im Irak wieder. Die ISIS-Offensive könnte nun, so fürchten manche, zum Zerfall des bestehenden Staatensystems sowie der zwischenstaatlichen Grenzen führen.
Das Ende einer Ordnung
Über die Sykes-Picot-Ordnung und über einen möglichen Zerfall der Staaten im Nahen Osten haben wir mit Gunter Mulack gesprochen. Er ist Direktor des Deutschen Orient Instituts und ehemaliger Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Syrien.