Vergessene Kolonialgeschichte
Der Begriff „Erinnerungskultur“ ist wahrscheinlich in wenigen Ländern so verbreitet, wie in Deutschland. Gerade deshalb ist es erstaunlich, dass wichtige Teile der deutschen Geschichte trotzdem in Vergessenheit geraten. Die Kolonialgeschichte ist dafür ein gutes Beispiel.
Dort, wo heute der Staat Namibia ist, ist einmal Deutsch Südwest-Afrika gewesen. So hat von 1884 bis 1915 eine Kolonie des deutschen Kaiserreichs geheißen. Im Jahr 1904 haben die Bevölkerungsgruppen der Herero und Nama gegen die deutschen Kolonialherren aufbegehrt. Die Folge ist ein grässlicher Völkermord gewesen. Ungefähr 100.000 Einheimische sind damals getötet worden.
Solche Gewaltexzesse werden ein wenig als Normalität im Kontext von Kolonialismus verstanden. Es ist häufig angenommen worden, dass ist halt Kolonialkrieg und wo gehobelt wird, fallen Späne. — Medardus Brehl, Genozidforscher an der Universität Bochum
Ist Deutschland haftbar?
Erst seit 2015 kämpft die namibische Regierung für Anerkennung und Entschädigung. Doch die Verhandlungen verlaufen langsam und zäh. Deutschland präsentiert sich extrem zurückhaltend, denn die rechtliche Lage ist kompliziert. Unter anderem weil es die UN-Völkermordskonvention zum Zeitpunkt der Geschehnisse noch nicht gab.
Man kann nicht für Dinge bestraft werden, die begangen worden sind bevor etwas gesetzmäßig sanktioniert worden ist. — Medardus Brehl
Ein Tropfen auf den heißen Stein
In Hamburg fand am Wochenende der zweite transnationale Kongress der Herero und Nama statt. Der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda entschuldigte sich offiziell bei den anwesenden Vertretern. Ist das ein erster Schritt für die Aufarbeitung des Völkermordes?
Darüber und über das Vergessen hat detektor.fm-Moderatorin Isabel Woop mit dem Genozidforscher Medardus Brehl gesprochen.
Redaktion: David Seeberg