Van der Bellen gewinnt Stichwahl im Mai
Das Ergebnis der Präsidenten-Stichwahl in Österreich im Mai ist denkbar knapp gewesen. Alexander Van der Bellen hatte sich mit 50,35 Prozent der Stimmen gegen Norbert Hofer durchgesetzt. Der liberale Kandidat konnte einen knappen Rückstand bei den vorläufigen Ergebnissen noch umdrehen, da die Briefwähler mehrheitlich für ihn gestimmt hatten.
Doch noch bevor das Innenministerium das offizielle Ergebnis bekannt gibt, gibt es Berichte von „Unregelmäßigkeiten“ bei der Auszählung der Stimmen in Kärnten. Anfang Juni beschließt die FPÖ deshalb, gegen das Ergebnis Einspruch einzulegen. Die Parteispitze reicht eine entsprechende Klage beim Verfassungsgerichtshof ein. Das Gericht enthüllt daraufhin bei der Stimmenzählung zahlreiche Formfehler. Obwohl sie keine Hinweise auf Manipulation finden, heben die Verfassungsrichter die Wahl auf und erklären sie für ungültig.
Es folgt eine zähe Hängepartie: Der Nationalrat terminiert im Juli eine neue Stichwahl für Anfang Oktober. Doch diese findet tatsächlich erst jetzt im Dezember, sechs Monate nach der ersten Wahl, statt. Denn in der Zwischenzeit gibt es immer kuriosere Possen um defekte Wahlkarten und nicht haftende Klebestreifen von Umschlägen. Immer wieder wird die Entscheidung also verschoben.
Wahl nervt Österreich
Die Wahl am Sonntag ist nun der insgesamt dritte Anlauf, ein Staatsoberhaupt für mehr als acht Millionen Österreicher zu finden. Das ständige Hin und Her hat die Alpenrepublik gespalten und verunsichert. Die Wahlbeteiligung ist im Mai verhältnismäßig hoch gewesen: Über 72 Prozent der Bürger gingen im Frühjahr an die Urnen. Allerdings ist die österreichische Bevölkerung vom andauernden Wahlkampf genervt. Der Ton des politischen Diskurses wurde zuletzt immer schärfer. Im letzten TV-Duell bezichtigte Hofer seinen Kontrahenten, als Spion gearbeitet zu haben. Beide Seiten warfen sich Lügen vor.
In Europa blickt man indes gespannt auf das Ergebnis der Wahl. Denn Hofer wäre der erste FPÖ-Politiker im Amt eines Staatsoberhauptes in Österreich und der Aufschwung der Rechtspopulisten würde sich fortsetzen. Der von Grünen, Sozialdemokraten und Liberalen unterstützte Van der Bellen gilt als überzeugter Europäer. In jedem Falle wird es für den neuen Präsidenten Österreichs schwer, das Land zu beruhigen.
Für Hofer würde es ganz schwer werden zu verbinden, was aufgerissen ist, weil er sich gewissermaßen mit juristischen Tricks eine zweite Chance erschlichen hat. Wenn der jetzt gewinnt, dann sind die Gräben natürlich ganz groß. – Robert Misik, Autor und Journalist
Wie sich die letzten Ereignisse auf die Stimmung in der Bevölkerung in Österreich ausgewirkt haben und welche Rolle der nächste Präsident spielen wird, erklärt Robert Misik im Gespräch mit detektor.fm-Moderator Alexander Hertel. Misik arbeitet als Journalist und Buchautor in Wien.
Redaktion: Joachim Plingen