Wie gehts weiter mit dem „Georgischen Traum“?
Am 8. Oktober sind in Georgien Parlamentswahlen. Seit 2013 ist die linksliberale Partei „Georgischer Traum“ in der Republik an der Macht, Regierungschef ist seit Anfang des Jahres Giorgi Kwirikaschwili, früherer Wirtschaftsminister. Die Parlamentswahlen fallen in eine Zeit, in der sich Georgien nach Jahren mit umfassenden Reformen in fast allen Bereichen des Landes einmal mehr die Frage stellt: Wie entwickelt sich das Verhältnis zur EU, zur Nato und zum russischen Nachbarn?
2003 hat Staatspräsident Micheil Saakaschwili in zehnjähriger Arbeit die Kaukasus-Republik modernisiert. Die sowjetisch geprägte Bürokratie wurde umgekrempelt, das korrupte Justizsystem ebenso, und auch wirtschaftlich sollte das Land aufholen: Ein liberalisiertes Wirtschaftssystem sollte dabei helfen, das rohstoffreiche Land für das Ausland attraktiv zu machen – nicht nur wirtschaftlich, sondern politisch.
Georgien – Flirt mit NATO und EU
Saakaschwilis Ziel für die ehemalige Sowjetrepublik: Nähe zur Nato und der EU schaffen, mit Russland dagegen die Konfrontation suchen. 2008 kam es zwischen Russland und Georgien sogar zu einem Kurzkrieg – er dauerte fünf Tage und drehte sich um die nach Souveränität strebenden Regionen Südossetien und Abchasien. Der Konflikt ist bis heute ungelöst und ist einer der wesentlichen Gründe, warum ein baldiger Beitritt Georgiens zur EU als unrealistisch gilt.
Auch wegen des weiterhin schlechten Verhältnisses zwischen Georgien und Russland konzentriert sich die linksliberale Regierungspartei „Georgischer Traum“ weiterhin auf seinen pro-westlichen Kurs. Dieser war bestimmendes Thema im laufenden Wahlkampf. Regierungschef Kwirikaschwili sagt: Langfristiges Ziel bleibe ein EU- und Natobeitritt. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg.
Streitpunkt Visafreiheit
Ein erster Schritt zu diesem Ziel wäre eine Entscheidung der EU, Georgien Visumsfreiheit zu gewähren. Schon im Juni wurde erwartet, dass Brüssel dazu einen positiven Beschluss liefern würde. Der lässt noch auf sich warten. Widerstand kommt aus Deutschland: Hier hat eine Debatte über georgische Einbrecherbanden dazu geführt, dass die Visumsfrage aufgeschoben wird. Am Mittwoch hat die EU zumindest die Bereitschaft signalisiert, die Visumspflicht tatsächlich aufzuheben: Das EU-Parlament wird über weitere Schritte entscheiden.
In Georgien erwarten Beobachter derweil ein knappes Rennen zwischen „Georgischer Traum“ und der liberalen Oppositionspartei „Vereinte Nationale Bewegung“.
Wie wahrscheinlich ist es, dass in Georgien eine neue Regierung an die Macht kommt? Und was sind weitere Gründe, warum die politische Annäherung zwischen Georgien und der EU stockt? Die Hintergründe liefert Alex Hertel im Gespräch mit detektor.fm-Moderatorin Maja Fiedler.