Ince – ein charismatischer Gegner
Als der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Wahlen für das Präsidentschaftsamt und Parlament vorgezogen hat, sind er und seine Anhänger sicher von einem Sieg ausgegangen. Doch seit einiger Zeit wird diese Sicherheit von einer starken Opposition und drei ernst zu nehmenden Gegenkandidaten überschattet. Dabei ist die wohl stärkste Konkurrenz Muharrem Ince, Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Volkspartei (CHP).
Er führt einen engagierten Wahlkampf und zieht von Dorf über Land zur Stadt. Bei seinen Auftritten wird er bejubelt, obwohl die Medien den Politiker und die Themen der oppositionellen Partei CHP weitestgehend ignorieren. Dennoch kommt seine Botschaft beim Volk an.
Ince sagt, dass wir einen gesellschaftlich-sozialen Kompromiss brauchen. Die Gefängnisse müssen sich leeren von politischen Gefangenen. Wir brauchen eine unabhängige Justiz, einen Rechtsstaat und ein Ende des Ausnahmezustands. – Ömer Erzeren, Blätter für deutsche und internationale Politik
Neue Hoffnung für die Türkei
Das verhilft der Opposition zu neuer Stärke und macht vielen Türken Hoffnung auf Veränderung. Die Preise steigen und die geringen Löhne können das nicht kompensieren. Viele wünschen sich ein besseres Leben. Auch sehen viele die langsame Enthebelung des sekularen Staates und die damit einhergehende Islamisierung des Erziehungswesens kritisch. Ince selbst kennt diese Hoffnungen und Ängste und kämpft seit Jahren politisch gegen Erdogan.
Er kommt aus ärmlichen Verhältnissen, aus einer konservativen Familie und ist seit 16 Jahren Abgeordneter der Republikanischen Volkspartei. Er hat bei vielem, was die Parteiführung gemacht hat, nicht mitgespielt. – Ömer Erzeren
Muharrem Ince schafft eine neue, selbstbewusstere Opposition. Deswegen ist davon auszugehen, dass die Wahlbeteiligung hoch sein dürfte.
detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt hat mit Ömer Erzeren über die anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei gesprochen. Er ist freier Journalist für verschiedene deutsch-, englisch- und türkischsprachigen Medien. Unter anderem schreibt er für die Blätter für deutsche und internationale Politik.
Redaktion: Lina Bartnik