Wütende Wähler
Angela Merkel ist in der vergangenen Woche in Vorpommern nicht zum ersten Mal mit Tomaten beworfen worden: wütende Wähler machten ihrem Ärger Luft. Aber auch andere Politiker und deren Wahlkampfveranstaltungen wurden und werden gestört. Ob Buh-Rufe für die AfD oder eine Torte ins Gesicht der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht – kaum eine Partei bleibt verschont.
Das private Marktforschungsinstitut Rheingold hat mit Tiefeninterviews nun versucht, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Dabei haben die Mitarbeiter festgestellt, dass der Hass und die Wut der Probanden einen bisher nie erlebten Höhepunkt erreicht hat.
Misstrauen, Enttäuschung und Hilflosigkeit
Die Studie zeigt verschiedene Gründe für den Ärger der Wähler. Sie misstrauen den Politikern, haben Angst vor Unsicherheit und Instabilität. Besonders kurios: Angst vor dem eigenen Hass führt wiederum dazu, dass auch die wütendsten aller Wähler trotzdem Angela Merkel wählen können.
In letzter Konsequenz sind viele Wähler zwar unzufrieden, sie setzen aber auf Bewährung und machen ihr Kreuz hinter der CDU. Sie machen das zwar halbherzig, aber sie wollen auch nichts riskieren. – Stephan Grünewald, Rheingold-Institut
Den ruhigen Wahlkampf und die Themen, die angesprochen werden, empfinden viele als Ablenkungsmanöver. Besonders ein Aspekt vermissen die wütenden Wähler in den politischen Debatten: Aussagen zur Einwanderungspolitik.
Mehr Streit in der Mitte
Die Wähler wünschen sich mehr Diskussion in der Mitte der Gesellschaft. Der Grat zwischen „Nazi“ und „Gutmensch“ sei zu schmal. Hier erwarten sie mehr Leitung durch die Politik.
Es gibt die Sehnsucht, dass es wie in den 70er-, 80er-Jahren in der Mitte der Gesellschaft Parteien hat mit klaren Konturen. Dass die Streitlust von den Parteien absorbiert wird und man sich einen Meinungswettstreit leisten kann, ohne ins Extrem zu rutschen. – Stephan Grünewald
Stephan Grünewald hat mit detektor.fm-Moderator Lars-Hendrik Setz über wütende Wähler in Deutschland gesprochen. Er ist Psychologe und hat für das Rheingold-Institut eine Studie mit dem Titel „Gebremste Wut der Wähler“ veröffentlicht.