Fraktionsdisziplin – warum?
Abgeordnete in Deutschland sind bei Abstimmungen laut Grundgesetz nur ihrem Gewissen unterworfen. In der Realität ist es so, dass sich die Fraktionen der Parteien bestimmte Regelungen auferlegen, um eine parlamentarische Willensbildung zu gewährleisten. Das heißt, dass die Mitglieder einer Fraktion gleich abstimmen. So kann man schon vorher wissen, ob eine Mehrheit zustande kommt oder nicht. Meistens müssen Abgeordnete, die anders abstimmen wollen, das vorher mitteilen. Die Fraktionsdisziplin hat aber noch einen weiteren Vorteil: Abgeordnete müssen sich nicht selbst mit jedem Thema auseinandersetzen, sondern können darauf vertrauen, dass die Fraktion im Sinne der Parteipolitik die beste Entscheidung trifft.
Was, wenn das Gewissen nicht mitspielt?
Alle Abgeordneten dürfen jederzeit abstimmen, wie sie es für richtig halten. Sie haben dabei keinerlei rechtliche Konsequenzen zu fürchten. Trotzdem hat sich in der Vergangenheit oft gezeigt, dass es harte Folgen haben kann, wenn jemand anders abstimmt, als es die Fraktion vorgiebt, – sowohl für die Person als auch für die Partei. Wer sich gegen die Fraktion stellt und dadurch eine wichtige Entscheidung verhindert, wird vielleicht zur nächsten Wahl nicht mehr aufgestellt oder einem Ausschuss zugeteilt. Das schmälert den politischen Einfluss.
Fraktionsdisziplin zur effektiven Entscheidungsfindung
Die Fraktionsdisziplin ist umstritten. Aber wie die meisten politischen Institutionen ist auch sie einfach ein Werkzeug. Sie dient dazu, den politischen Alltag zu vereinfachen und Entscheidungen möglich zu machen. Kritiker und Kritikerinnen sehen darin eine unzulässige Vereinfachung des Diskurses – andere Meinungen und Positionen kämen nicht zu Wort, obwohl sie die politische Arbeit bereichern könnten. Auf der Gegenseite wird argumentiert, dass wenn jeder zu Wort käme, das politische System zusammenbrechen würde. Es ist für alle – die Fraktionsvorsitzenden, die Abgeordneten, den Parlamentsvorsitz – ein Balanceakt zwischen Gewissensfreiheit und Funktionalität des politischen Systems.
Was ist Fraktionsdisziplin und sollten Abgeordnete nicht vielleicht frei abstimmen? Darüber hat detektor.fm-Moderatorin Maureen Welters mit dem Politikwissenschaftler Sven Siefken gesprochen. Dietmar Bartsch hat aus seinem Alltag als Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke berichtet.